Schweiz, Bern, Inselspital Bern (11.09.-31.12.2023)
Bereits zweieinhalb Jahre vor dem geplanten PJ-Tertial in der Schweiz hatte ich mich für ein ganzes Tertial in der Orthopädie am Inselspital Bern, dem Universitätsspital der Universität Bern, beworben und eine Zusage erhalten. Das Inselspital Bern ist ein weltweit renommiertes Universitätsklinikum. Es hat mir gut gefallen, wie viel man im OP machen durfte, wenn man eine gute Vorbereitung und viel Motivation mitbrachte. Auch wenn das Leben in der Schweiz sehr teuer ist, lohnt sich ein PJ-Tertial dort meiner Meinung nach total!
Motivation und Ziel: Ein PJ-Tertial in der Schweiz!
Als Chirurgie-begeisterte Medizinstudentin hatte ich oft von anderen Medizinstudierenden gehört, dass eine Famulatur oder ein PJ-Tertial in der Schweiz empfehlenswert sei, da man dort viel Zeit im OP verbringen würde und an den Universitätsspitälern Spitzenmedizin lernen würde. So bewarb ich mich frühzeitig – etwa zweieinhalb Jahre vor PJ-Beginn – am Inselspital Bern, dem Universitätsspital der Universität Bern. Ich hatte das Inselspital aufgrund der tollen PJ-Rezensionen auf „PJ-Ranking“ ausgewählt. Dort hieß es, die Lehre sei sehr gut. Vor dem PJ war ich noch nie in Bern gewesen, nur einmal für ein paar Tage in Zürich. Mir gefielen die Vorstellung, eine neue Stadt und das gesamte Land kennenzulernen. Ich bin sehr begeisterte Bergsportlerin. Das Tertial Herbst/ Winter 2023 bot die Möglichkeit, Wandern sowie Skifahren im Berner Oberland auszuprobieren.
Einfach traumhaft – Aussicht vom Berner Hausberg Gurten auf das Berner Oberland
Durch meinen Nebenjob als Hakenhalterin und frühere Famulaturen hatte mir die Orthopädie immer sehr viel Spaß gemacht. Ich wollte zwar später die Facharztausbildung für Neurochirurgie auswählen, doch dieses Fach bot meine Heimatuniversität nicht als Wahlfach im PJ an. Somit wusste ich, ich muss während des Chirurgie-Tertials in die Neurochirurgie rotieren, und habe als Wahlfach dann Orthopädie gewählt. Als angehende Neurochirurgin hatte mir auch Wirbelsäulenchirurgie immer gut gefallen. Diese wurde am Inselspital Bern zu großen Teilen durch die orthopädische Abteilung abgedeckt, was für mich sehr reizvoll erschien.
Meine Bewerbung & Organisatorisches
Ich hatte mich bereits zweieinhalb Jahre vor dem geplanten PJ-Tertial auf die Stelle am Inselspital Bern beworben. Kurze Zeit später waren alle Stellen vergeben und Freundinnen und Freunde von mir hatten Pech. Kurz vor dem PJ waren aber einige PJler*innen noch abgesprungen, sodass spontan mal die eine oder andere Stelle frei werden kann. Mit Hakenhalter- und Orthopädie-Vorerfahrung war die Bewerbung sehr leicht. Ein Motivationsschreiben und tabellarisches CV reichten.
Die Abteilung der Orthopädie sendete den PJler*innen einige Wochen vor Tertial-Beginn viel Vorbereitungsmaterial per E-Mail. Dabei ging es u.a. um Organisatorisches, aber es war auch ein Untersuchungsleitfaden und ein Skript mit den häufigsten orthopädischen Krankheitsbildern dabei. Diese Unterlagen dienten hervorragend als Vorbereitung, mehr war nicht nötig.
Bern zur Golden Hour – fantastische Aussicht vom Rosengarten
Die Schweiz ist kein EU-Land. Für den kurzen Aufenthalt war zum Glück keine Meldung nötig. Dankbarerweise übernahm das Inselspital Bern die „vorübergehende“ Meldung bei der Gemeinde Bern, sodass man sich darum nicht kümmern musste. Allerdings musste man sich um ein Schweizer Konto kümmern, das in meinem Fall („PostFinance“) leider 25 CHF im Monat gekostet hat.
Das Inselspital Bern
Das Inselspital Bern ist ein weltweit renommiertes Universitätsklinikum. Insbesondere in der Orthopädie genießt es einen hohen Ruf, da die Geburtsväter der Hüftchirurgie die dortige Abteilung stark geprägt haben (M. Müller, R. Ganz, …).
Mega Ausblick von der Dachterrasse des Inselspitals Bern
Die Abteilung gliederte sich im Wesentlichen in fünf Teams, die allesamt auf höchstem Niveau arbeiten: Hüfte, Knie, Fuß, Schulter/Obere Extremität und Wirbelsäule. Ich konnte v.a. das Hüftteam und das Wirbelsäulenteam genauer kennenlernen. In diesen beiden Teams werden komplizierte, z.T. sehr seltene Operationen durchgeführt, z.B. die periacetabuläre Umstellungsosteotomie nach Ganz, und neuartige OP-Methoden erfunden. Die Forschungsteams arbeiten parallel auf höchstem Niveau an der Erforschung der Knochen- und Knorpelmarterie sowie an neuartigen Operationen und Zugangswegen.
Mein PJ-Tertial in der Orthopädie am Inselspital Bern
Als PJlerin/PJler wurde man immer für mehrwöchige Abschnitte einem der fünf Teams zugeordnet. Nur selten war man auf Station oder auf dem Notfall eingeteilt. Wenn man in einem Team war, machte man dort den regulären Wochenablauf mit. Das bedeutete, drei Tage OP und zwei Tage Poliklinik (= Sprechstunde) pro Woche. Im OP wurde man als Assistent eingesetzt. Bei schwierigen, komplexen OPs natürlich eher als zweiter/dritter Assistent, aber wenn man sich gut anstellte, auch mal als erster Assistent. Bei einigen Eingriffen durfte man nur zusehen, da nur eine Assistenzärztin/ein Assistenzarzt assistieren durfte. Generell galt, je besser man vorbereitet war und je mehr man sich persönlich engagierte und weiterbildete, desto mehr durfte man machen. So hatte ich das Glück, in seltenen Fällen auch einmal selber Operateur zu sein bei kleinen Eingriffen (Plattenosteosynthese der Fibula), wobei der Oberarzt mich angeleitet hat. Auch bei komplexen Wirbelsäulen-OPs durfte ich nach einer Weile assistieren.
In der Sprechstunde galt es als Aufgabe, die primäre Anamnese und Untersuchung der Patientin/des Patienten durchzuführen und dann dem Oberarzt zu präsentieren. Nach Rücksprache mit dem Oberarzt durfte man dann entweder selbst die Patientin/den Patienten weiterbehandeln und entlassen oder den Oberarzt dabei begleiten.
Der Arbeitstag startete um 7:15 Uhr mit dem Morgenrapport, bei dem die ganze Abteilung anwesend war. Anschließend ging es um 7:45 Uhr in den OP, um die OPs vorzubereiten/die Patient*innen zu lagern bzw. um 8:00 Uhr in die Poliklinik. Im OP war der Tagesablauf abhängig vom OP-Programm. Meist war man bis ca. 16:00 Uhr im OP, an einigen Tagen auch mal kürzer oder länger. Die Poliklinik endete meistens um 16:30 Uhr, nur selten wurde überzogen.
Die Arbeitszeiten waren sehr angenehm. Pro Monat, den man am Inselspital arbeitete, hatte man Anspruch auf zwei Urlaubstage, also acht Urlaubstage insgesamt. Zudem konnte man durch Dienste einzelne Tage freibekommen als Kompensationstage. Ein sog. „Pickett-Dienst“ ist ein Bereitschaftsdienst am Wochenende/Feiertag von 8:00–18:00 Uhr. Ich hatte einige ruhige Dienste, bei denen ich gar nicht in die Klinik musste, und einige „Picketts“, die stundenlange Hüft-Notfall-OPs beinhalteten.
Unterkunft und finanzielle Seite
Die Personalwohnheime wurden über die Klinik organisiert. Dies funktionierte in meinem Fall sehr einfach. Es gab verschiedene Räume/Wohnungen, der günstigste Raum kostete 600 CHF monatlich. Ich fand es sehr angenehm in meinem Wohnheim und musste wenig organisieren. Die Klinik hatte mir alle Informationen zum Mieten zugesendet.
Am Inselspital Bern erhielt man etwa 1.200 CHF Monatslohn, „Pickett-Dienste“ gaben kein extra Gehalt. Davon konnte man nur wohnen und leben, wenn man recht sparsam war. Wer ein paar Wanderausflüge, Skifahren, Barausflüge unternehmen möchte, braucht weitere finanzielle Unterstützung.
Mein Blick zurück und Fazit
Auch wenn das Leben in der Schweiz sehr teuer ist, lohnt sich ein PJ-Tertial dort meiner Meinung nach total! Das Schweizer Gesundheitssystem und die Arbeitsaufteilung in der Klinik sind sehr anders als in Deutschland. Ich selbst habe so gemerkt, dass ich das deutsche System bevorzuge, doch ich fand es super, die Unterschiede mal hautnah zu erleben.
Aare-Schwümm – ein Klassiker im Berner Sommer
Die Lehre am Inselspital Bern in der Orthopädie war deutlich besser, als ich es von Deutschland her kannte. Es gab jede Woche drei verschiedene PJler*innen-Fortbildungen: einen Untersuchungskurs, geleitet von einem Assistenzarzt, eine Falldiskussion, geleitet von einem Oberarzt, und eine Präsentation, rotierend präsentiert von den PJler*innen selbst. Zusätzlich hatten einige Teams, z.B. das WS-Team und das Hüft-Team, eigene Fortbildungen im monatlichen Abstand, an denen oftmals auch die PJler*innen teilnehmen durften.
Weiterhin hat mir gut gefallen, wie viel man im OP machen durfte, wenn man eine gute Vorbereitung und viel Motivation mitbrachte. Es gab einige Highlights, die ich unter der Anleitung der netten Operateure/Oberärzte erleben durfte.
Der nahgelegene Thuner See – ein wunderbares Ausflugsziel von Bern aus
Und dann war da natürlich noch der Freizeitwert. Ich habe in Bern die coolsten PJ-Freunde meines gesamten PJs kennengelernt. Wir haben nach der Arbeit wahnsinnig schöne Abende und Unternehmungen am Wochenende erlebt. Ob im Wohnheim, in der Berner Altstadt, beim Wandern, beim Baden oder beim Skifahren. Als begeisterte Bergsportlerin hat es mir in Bern fantastisch gefallen und wir haben sogar einige Monate nach unserer Zeit in Bern eine kleine „Orthobro-Reunion“ in Bern veranstaltet.
Kleiner Tipp zum Ende: das Halbtax-Abonnement der SBB lohnt sich!
M. Brielmaier
München, Juni 2024