PJ in Großbritannien – Chirurgie

Großbritannien, Newcastle upon Tyne, Freeman Hospital (20.05.-14.07.2024)

Lange vorher hatte ich bereits beschlossen, einen Teil meines PJs im Ausland zu absolvieren. Die Erfahrung, wie Medizin in einem anderen Land funktioniert, ist unendlich viel wert und deswegen kann ich nur jeder und jedem empfehlen, diese Chance zu nutzen! Ich bin sehr froh, diese Chance des PJ-Tertials in Newcastle upon Tyne genutzt zu haben! Insgesamt hatte ich eine wunderbare Zeit hier und bin sehr traurig, dass es nur so ein kurzer Aufenthalt war. 

Mein Ziel – PJ in der Chirurgie in Großbritannien

Ich hatte lange vorher bereits beschlossen, einen Teil meines PJs im Ausland zu absolvieren. Im Studium davor hatte sich für ein Auslandssemester aus verschiedenen Gründen nie die Gelegenheit ergeben, sodass dies vor dem Berufseinstieg die letzte Gelegenheit war. Auch das Vereinigte Königreich als Ziel stand schnell fest. Ich war schon oft dort im Urlaub gewesen und hatte mich immer sehr wohl gefühlt und mich gefragt, wie es wohl ist, dort zu leben. Außerdem hatte mich interessiert, welche Unterschiede das NHS, das National Health Service, zum deutschen Gesundheitssystem aufweist.

Die Stadt und das Krankenhaus hatte ich aufgrund der positiven Erfahrungsberichte früherer PJ-Studierender bei “pj-ranking.de” ausgewählt. Newcastle upon Tyne wurde als sehr lebenswerte Stadt beschrieben, mit viel zu entdecken, Meeres- und Nationalpark-Nähe und einer angenehmen Größe. Das Freeman Hospital ist eines von zwei Krankenhäusern in Newcastle und ist auf viele chirurgische Fächer und die Behandlung vieler Tumoren spezialisiert. Das Krankenhaus hat UK- und weltweit einen sehr guten Ruf und für einige operative Eingriffe, die sehr kompliziert sind, kommen Patient*innen aus dem gesamten Vereinigten Königreich und teilweise sogar aus dem Ausland, weil das Freeman Hospital so spezialisiert ist. Es ist ein modernes Krankenhaus mit weltweit führender Technik. So stehen hier mehrere Roboter zur Verfügung, die regelmäßig intraoperativ genutzt werden. Außerdem ist das Freeman Hospital ein großes Transplantationszentrum und versorgt damit den gesamten Norden Englands, bis über die Grenzen hinaus nach Schottland.

Meine Bewerbung

Meinen Auslandsaufenthalt wollte ich im Rahmen des chirurgischen Pflichttertials absolvieren. Ursprünglich lag dem zugrunde, dass ich, bevor ich das PJ begonnen hatte, Chirurgie als mögliche Facharztrichtung ausgeschlossen hatte. Dies hat sich zwar inzwischen geändert, aber ich dachte damals, wenn ich von der Chirurgie in Deutschland nicht ganz so viel miterlebe und auch keinen “Fuß in der Tür” in einer bestimmten Klinik benötige, ist dies das geeignetste Tertial für einen Auslandsaufenthalt. So habe ich mich in Newcastle also in der Allgemeinchirurgie beworben, bei einem Oberarzt aus der Leber-/Galle- und Pankreaschirurgie.

Das Freeman Hospital ist Lehrkrankenhaus der Newcastle University. Auf “pj-ranking.de” wurde sehr positiv von der guten Organisation rund um das sogenannte “elective” berichtet, dass deutsche PJ-Studierende hier bereits bekannt und sehr gern gesehen sind, und alle notwendigen – und manchmal ja sehr komplizierten – Bedingungen für die Anrechnung des Tertials bei unseren Prüfungsämtern hier erfüllt werden können.

Ich hatte circa neun Monate vorher begonnen, mich mit der Idee eines PJ-Teils in UK näher zu beschäftigen. Nachdem meine Wahl auf Newcastle upon Tyne gefallen war, bewarb ich mich circa sieben Monate vorher. Bevor man sich an der Newcastle University bewirbt, muss man selbstständig eine/einen “supervisor” gefunden haben, also eine Oberärztin/einen Oberarzt (”Consultant”), die/der sich bereit erklärt, die Verantwortung der Lehre und Organisation innerhalb der Klinik zu übernehmen. Mit einer Bestätigungsemail kann dann die Bewerbung an der Universität losgehen.

Diese lief komplikationslos. Es gab ein Online-Formular, das auszufüllen war. Ich benötigte einen Sprachnachweis für Englisch. Da das Abitur leider zu lange her war, habe ich den “IELTS” (International English Language Testing System) gemacht. Ein solcher offizieller Nachweis ist immer erforderlich, wenn man nicht auf Englisch studiert oder zumindest Kurse in englischer Sprache an der Universität absolviert hat. Der “IELTS” oder auch der “TOEFL” (Test of English as a Foreign Language) kosten leider Geld, aber dafür sind die Bewerbungskosten der Newcastle University lediglich eine Art “kleiner Semesterbeitrag”, was nicht bei allen englischen Universitäten der Fall ist.

Ein Visum wurde zu meiner Zeit nicht von deutschen Medizinstudierenden im PJ gefordert. Sollte sich dies ändern, ist dies auf der Seite der britischen Regierung nachzulesen.

Ich musste die Impfungen gegen Masern sowie Hepatitis B nachweisen. Ansonsten gab es einen medizinischen Fragebogen, ebenfalls online, der vor Ankunft auszufüllen war. Eine weitere medizinische Untersuchung vor Ort war nicht erforderlich.

Die Newcastle University war nicht für eine Haftpflicht- sowie Berufshaftpflichtversicherung während des PJs zuständig und verlangte eine Bestätigung, dass diese vorhanden war. Darum sollte sich also spätestens vor Beginn des PJs gekümmert werden.

Als PJ-Studentin/PJ-Student ist man in England äquivalent zum “Medical Elective Student” am Ende des Studiums. Da das englische “Elective” insgesamt nur acht Wochen lang ist, wird auch der PJ-Teil für deutsche Medizinstudierende hier meistens nur die Länge eines gesplitteten Tertials haben, also acht Wochen.    

Mein PJ-Abschnitt in der Chirurgie am Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne

Jeden Sonntag vor der nächsten Woche wurde ein Plan in die WhatsApp-Gruppe aller Medizinstudierenden in meiner Abteilung geschickt und dann konnte man sich dort für jeden Tag eintragen, wo man gern hingehen möchte. Das war entweder Visite und Stationsarbeit, die Vormittags- und Nachmittags-Ambulanz oder der OP-Trakt. Häufig kamen jedoch im Verlauf der Woche weitere kurzfristig angesetzte Operationen dazu, sodass der Plan und die Zuteilung nicht in Stein gemeißelt waren.

Der Tag am Freeman Hospital fing je nach zugeteiltem Ort zu unterschiedlichen Zeiten an. Die OPs begannen hier um 8:30 Uhr mit einem sogenannten “Team Hug”, also einer Zusammenkunft des gesamten Teams, um die anstehenden Operationen durchzusprechen und zu kontrollieren, ob alles korrekt und vorhanden war. Vorher wurden, immer am selben Tag, die Patient*innen um circa 7:30 Uhr noch einmal nach der Einwilligung befragt und letzte Fragen beantwortet. Das Schichtende war im OP durch die teilweise sehr langen Operationen sehr verschieden. Eine Whipple-OP zum Beispiel dauerte regelhaft circa 6 h. So war manchmal mein Tag schon gegen 13:00 Uhr zuende, manchmal kam ich erst um 17:00 Uhr nach Hause. Die morgendliche Ambulanz begann meist um 9:00 Uhr und die Nachmittagsrunde um 13:00 Uhr. Generell war ich als PJlerin hier im Gegensatz zu Deutschland kein essentieller Bestandteil des Teams; ich durfte überall mit hin, musste aber auch nicht. Dies hat mir einerseits natürlich große Freiheiten gegeben, gleichzeitig lerne ich aber jetzt in Deutschland auch zu schätzen, wie schön es ist, Verantwortung zu übernehmen und einen relevanten Beitrag zu leisten.

PJ in Großbritannien - Chirurgie: Zwischen zwei OPs bei meinem PJ-Tertial in der Chirurgie am Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne.

Zwischen zwei OPs bei meinem PJ-Tertial in der Chirurgie am Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne.

Auf Station lief man am Freeman Hospital bei der Visite mit, die mindestens den ganzen Vormittag in Anspruch nahm. Meistens habe ich hier nur zugehört und nachgefragt, ab und zu konnte ich die Visitendokumentation übernehmen, Blut abnehmen oder Patient*innen untersuchen. Wenn ich in die Ambulanz eingeteilt war, saß ich mit dem Oberarzt im Untersuchungszimmer, habe Fälle mit ihm vor- und nachbesprochen sowie die Patient*innen mit untersucht. Es kam auch vor, dass ich selbstständig die Anamnese und körperliche Untersuchung durchgeführt und anschließend dem zuständigen Oberarzt berichtet habe.

Im OP gab es je nach Eingriff verschiedenes zu tun. Bei Eingriffen mit Roboter-Unterstützung waren bereits zu viele Personen am Tisch, weswegen ich da meist unsteril zugeschaut habe. Oft gab es mehrere Bildschirme, über die man das Geschehen gut verfolgen konnte. Bei den meisten anderen Eingriffen, ob offen oder laparoskopisch, durfte ich mich mit einwaschen und mit am Tisch stehen. Dort habe ich dann Haken gehalten, durfte den Operationsbereich öffnen, beim Freipräparieren der interessierenden Strukturen helfen, bei laparoskopischen Eingriffen die Kamera führen und eigentlich immer die Wunde anschließend zunähen. Zwischen den Operationen, und diese Zwischenzeiten sind deutlich länger als in Deutschland, war ich zusätzlich oft mit auf der Anästhesie-Seite, habe geholfen, Zugänge zu legen, die Narkose einzuleiten und durfte beatmen und intubieren.

Ich war auf der Station für Leber-, Galle- und Pankreaschirurgie eingeteilt. Dies bedeutet, dass dort Krankheitsbilder wie Cholezystitis, akute und chronische Pankreatitis, Leberzirrhose sowie zahlreiche Krebserkrankungen, unter anderem Leber- und Pankreaskarzinom behandelt wurden. Ich konnte lernen, wie diese Erkrankungen präoperativ anbehandelt werden, wann sich für welche Operation entschieden wird, wie die Patient*innen nachbehandelt werden und wie die regelmäßige Verlaufskontrolle abläuft. Besonders groß war natürlich die Lernkurve im OP, da ich mir endlich mal anschauen konnte, wie zum Beispiel eine Whipple-OP tatsächlich abläuft und welche Schritte in welcher Reihenfolge wichtig sind.

Da mein Supervisor auch Mitglied des Transplantationsteams war, gab es auch die Möglichkeit, zur Organentnahme mitzukommen. Dies waren Fahrten bzw. Flüge in Orte im gesamten Norden Englands sowie Schottland.

Insgesamt waren alle Ärztinnen und Ärzte, die ich kennengelernt habe, sehr freundlich und stets lehrbereit. Als “Teaching Hospital” der Newcastle University hat das Freeman Hospital rund um die Uhr Medizinstudierende und deswegen ist es dort schlichtweg eine Selbstverständlichkeit, zu erklären, zu zeigen und ausprobieren zu lassen. Dies hat mir deutlich besser gefallen als in Deutschland, wo, trotz Lehrkrankenhausstatus, die Lehre oft zu kurz kommt.

Wohnen in Newcastle upon Tyne

Meine Unterkunft in Newcastle upon Tyne hatte ich über “spareroom.uk” gefunden. Hier kann man, wie bei dem deutschen “wg-gesucht.de”, mit vielen Filtereinstellungen und einer eigenen Anzeige auf die Suche nach der passenden Wohnung gehen. Für den Zeitraum von acht Wochen im Frühsommer gab es viel Auswahl, da viele Studierende nach den Prüfungen schon nach Hause fahren und ihr Zimmer bis zum offiziellen Ende des Semesters noch untervermieten. Ein Nachteil ist, dass diese Anzeigen in der Regel relativ kurzfristig hochgeladen werden, sodass man eventuell ein wenig Geduld haben muss, bis die passende Anzeige dabei ist.

PJ in Großbritannien - Chirurgie: Meine gemütliche Wohnung in Newcastle upon Tyne

Meine gemütliche Wohnung in Newcastle upon Tyne

Die Newcastle University bietet auch eine sogenannte “student accommodation” an. Diese sind sehr zentral gelegen und man kommt automatisch in Kontakt mit anderen Studierenden. Preislich sind sie etwas teurer als das, was ich am Ende mit eigener Suche gefunden habe, aber dafür hat man die Sicherheit, dass alles klappt.

Eine weitere Möglichkeit ist “erasmus-living.co.uk”. Dies ist eine Website speziell für Erasmus-Studierende in Newcastle mit Studierenden-WG-Zimmern für einen sehr fairen Preis. Hätte ich nicht eine Wohnung über “spareroom.uk” gefunden, hätte ich diese Möglichkeit genutzt. Auch hier ist die Unterstützung und Organisation sehr gut und man muss sich nicht mit Dingen wie Vormieterbescheinigung und dem Finden einer Garantin/eines Garanten beschäftigen.

Finanzierung meines PJ-Aufenthaltes in Newcastle upon Tyne

Finanziert wurde mein PJ-Aufenthalt durch das Erasmusbüro von Sachsen-Anhalt. Dafür hatte ich mich circa sechs Monate vor Beginn beworben und habe dann zweimal eine monatliche Unterstützung von 750 Euro erhalten. Da man in englischen Krankenhäusern keine Bezahlung oder Aufwandsentschädigung erhält und die Preise für Lebensmittel, Miete und Transport in der Regel teurer als in Deutschland sind, hat mir dies immens geholfen beziehungsweise meine Reise überhaupt erst ermöglicht. Weiterhin wurde ein umweltfreundliches Reisen mit dem Zug mit einem Interrail-Ticket für die Hinfahrt sowie einer weiteren Green-Travel-Pauschale von 50 Euro gefördert, wodurch auch meine An- und Abreisekosten deutlich reduziert wurden.

Leben in Newcastle upon Tyne

Insgesamt hatte ich eine wunderbare Zeit hier und bin sehr traurig, dass es nur so ein kurzer Aufenthalt war. Newcastle upon Tyne ist ein Ort, in welchem ich mir nun tatsächlich vorstellen kann zu leben. Es ist eine wunderbare Stadt mit einer wunderbaren Pub- und Feierkultur, mit alternativen Stadtvierteln, wo sich Künstler*innen angesiedelt haben und regelmäßig ihre Studios öffnen. Außerdem gibt es eine reiche Konzert- und Eventlandschaft, es gibt eine 1.000 Jahre alte Burg neben der anderen, der berühmte “Hadrian’s Wall” läuft genau durch Newcastle und mit Königreichen, Wikingern, Kelten und Römern ist hier die Umgebung voller spannender Geschichte.

PJ in Großbritannien - Chirurgie: Am Strand in Tynemouth

Am Strand in Tynemouth

Mir ist Newcastle upon Tyne und der Norden Englands in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen. Die Leute sind hier so freundlich und herzlich. Die Nähe zum Meer, zur schottischen Grenze mit seinen Highlands und zum “Lake District” ist für Natur- und Wanderliebhaber*innen wie mich ein Traum.

PJ in Großbritannien - Chirurgie: Wandern in Lake District - einfach großartig für Wanderliebhaber

Wandern in Lake District – einfach großartig für Wanderliebhaber

Mein Blick zurück

Ich bin sehr froh, diese Chance des PJ-Tertials in England genutzt zu haben. Auch der Vergleich der Gesundheitssysteme war für mich spannend. Zwar ist eine Krise des NHS unbestreitbar und die Personalsituation ist noch einmal deutlich prekärer als in deutschen Krankenhäusern, jedoch habe ich auch einige Vorteile des britischen Gesundheitskonzepts erfahren und bin der Meinung, dass wir zu voreilig davon ausgehen, alles dort würde grundsätzlich besser laufen als bei uns.

PJ in Großbritannien - Chirurgie: Mein Heimweg in Newcastle an der Tyne entlang

Mein Heimweg in Newcastle an der Tyne entlang

In jedem Fall, egal, wie man sich am Ende positioniert, ist jedoch die Erfahrung, wie Medizin in einem anderen Land funktioniert, unendlich viel wert und deswegen kann ich nur jeder und jedem empfehlen, diese Chance zu nutzen!

Rebekka Krause

Halle, Juli 2024


Neueste Blogbeiträge auf Medizinerlaufbahn.de: