Der Sprung ins kalte Wasser wird irgendwann zum Bade Gang. Viel ist passiert, nachdem ich das letzte Mal über mein Examen geschrieben habe. Die ersten 100 Tage als Assistenzarzt in der Radiologie an einem großen Universitätsklinikum waren lehrreich, aufregend und intensiv. Im Folgenden möchte ich über meinen Einstieg in Röntgen und Durchleuchtung sowie über meinen ersten Rufdienst berichten.
Endlich Assistenzarzt
Noch vor Dienstbeginn um 07:30 Uhr meldete ich mich an meinem ersten Tag im Sekretariat und bekam Diensttelefon, Passwörter und mein Dosimeter ausgehändigt. Gebremst wurde mein Eifer durch die klinikinterne Einführungsveranstaltung für die nächsten drei Tage: Datenschutz, Brandschutz und andere Belehrungen sind wichtig, aber sicherlich nicht das Aufregendste, wie man sich seinen Berufseinstieg vorgestellt hätte. Die letzten beiden Tage dieser Woche – meine ersten beiden echten Arbeitstage – waren dafür jedoch umso intensiver!
Meine ersten 100 Tage als Assistenzarzt – lehrreich, aufregend und intensiv!
Wenige Minuten nach der Frühbesprechung wurde ich von meinem eigentlich angedachten Arbeitsplatz in der Röntgen Befundung abgezogen auf den Platz in der Notaufnahme. Hier hat der Assistenzarzt das „Röntgen-Diensttelefon“, bei dem alle Kliniker Rückfragen zu Röntgenbefunden stellen können. Gleichzeitig ertönt hierüber auch der Alarm, wenn eine Patientin/ein Patient über den Schockraum eingeliefert wird. In diesem Falle muss man sich schnellstmöglich, eingekleidet in eine Röntgenschürze, an seinen Platz im Schockraum begeben und ein FAST-Sonogramm („focused assessment with sonography for trauma“) durchführen. Zum Glück konnte mich einer der jüngeren Assistenzärzt*innen hier noch einmal einweisen, bevor der Tag so richtig anbrach.
In meinen ersten beiden Tagen fand ich mich wieder in der konventionellen Befundung ein und schrieb so viele Röntgenbefunde wie nie zuvor im PJ
In ein paar Wochen schon konnte ich mich hier um das Dreifache steigern, denn das Lernen unter Zeitdruck geschieht unglaublich schnell. Die ersten “Schockraum-Sonos” waren allesamt Stürze aus größeren Höhen. Glücklicherweise fand ich mich rasch in die Tricks und Kniffe der Notfallsonographie ein. Mit der Zeit wurden auch meine Befunde im Röntgen schneller und besser, denn die erste Hürde ist zunächst zu verstehen, was der Kliniker mit seiner Fragestellung und den meist eher dürftig gewählten klinischen Angaben überhaupt wissen will. In diesen ersten Tagen saßen meine Freigeber auch im selben Raum gegenüber und konnten mir noch einige Ratschläge geben.
Mit diesem hochmodernen Sonographie Gerät untersuche ich unsere Tumorpatienten
In der zweiten Woche als Assistenzarzt wurde ich dann an meinen regulären Arbeitsplatz zurückversetzt, wo ich neben der Röntgen Befundung auch Ultraschalluntersuchungen, insbesondere im Rahmen des Stagings von HNO-Tumorpatienten, und Durchleuchtungen durchführte. Letztere waren für mich die interessantesten Untersuchungen, da hierbei ein Patient dynamisch und funktionell untersucht werden konnte. Ein typischer Fall war hier beispielsweise der HNO-Patient, der nach Tumorexstirpation und Neck Dissection über eine Magensonde ernährt wurde. Um diese zu entfernen, muss sichergestellt werden, dass es keine Fistel, keine Aspiration, Divertikel oder sonstige Kontraindikationen gibt. Dazu muss während des Schluckvorgangs mit Kontrastmittel der Patient mit einer beweglichen Röntgenröhre durchleuchtet werden. Als Assistent musste ich diese Untersuchung nicht nur allein durchführen, sondern auch an der Konsole entscheiden, ob die Aufnahmen ausreichen und den Befund später mit dem Zuweiser besprechen. Hier war die Unterstützung durch die erfahrenen MTRA sehr hilfreich, um mich vor so manchen Fehlern zu bewahren.
Mit der Zeit arbeitete ich mich immer mehr an meinem Arbeitsplatz ein
Natürlich hatte der Klinikalltag aber weitere Überraschungen für mich auf Lager. Aufgrund von Krankmeldungen musste ich an einigen Tagen zurück auf den Arbeitsplatz in der Notaufnahme, wo ich alle Röntgenuntersuchungen des Klinikums allein befunden musste. Normalerweise bearbeiten wir das mit zwei Assistenzärzten. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich an diesen Tagen gut geschlagen habe und in Spitzen sogar bis zu 160 Röntgenbefunde am Tag schrieb. Nach und nach wurde ich sicherer in meiner Arbeit und auch die Fragen über das Diensttelefon überraschten mich nicht mehr.
Mit dieser Anlage durchleuchte ich Patienten – Die ersten 100 Tage als Assistenzarzt
Meine ersten Rufdienste
So kam es, dass ich zu Ende meiner ersten 100 Tage als Assistenzarzt meine ersten Rufdienste absolvierte. In unserer Abteilung bedeutet Rufdienst, dass man nach Feierabend weiterhin telefonisch erreichbar bleibt und falls eine notfallmäßige Angiographie durchgeführt wird, man sofort in die Klinik gerufen wird, um bei der Intervention zu assistieren. Zumeist handelt es sich dabei um (mechanische) Thrombektomien bei Schlaganfallpatienten über einen Katheter.
Bei meinem ersten Ruf entfernten wir einem 80-jährigen Patienten einen relativ weit distal gelegenen Thrombus. Der Patient kam mit den typischen Apoplex-Symptomen in die Angiographie (hängender Mundwinkel, Dyslalie, etc.) und wir begannen sofort mit der Thrombektomie. Meine Aufgabe war es dabei den Katheter mit zu führen, alle Instrumente anzureichen und Spritzen luftleer (!) aufzuziehen. Letzteres mag vielleicht banal klingen, jedoch kann bereits durch kleinere Bläschen eine Luftembolie entstehen, die für den Patienten schlimmstenfalls letal enden könnte. Hochkonzentriert arbeitete ich also dem erfahrenen Oberarzt aus der Neuroradiologie zu. Nach etwa drei Stunden – die Thrombektomie dauerte nur ca. 20 Minuten, der Patient hatte jedoch noch Vaso Spasmen – wurde ich nach Hause entlassen. Nachts um halb vier stieg ich müde in mein Auto und fuhr heim. Der Rest der Nacht blieb zum Glück ruhig und ich konnte noch ein wenig, um genau zu sein, sehr wenig schlafen.
Die Aufregung und die Notfalltherapie von Patienten in den Rufdiensten machen mir Spaß, denn tagsüber betreibe ich mit meinen Kollegen hauptsächlich Diagnostik, das Therapieren übernehmen ja die Kliniker.
Persönliche Einschätzungen – Arbeitsklima und das Thema Promotion
Ein weiteres Erlebnis war sicherlich unsere Abteilungsfeier, bei der unser Chef alle Ärztinnen und Ärzte, MTRAs und sonstige Institutsmitarbeiter*innen auf ein Buffet mit Umtrunk in einem benachbarten Lokal einlud. Es war toll, die Kolleginnen und Kollegen weiter privat kennenzulernen und ich denke, dass dies eine Abteilung und den Zusammenhalt der Assistenzärztinnen/Assistenzärzte auch stärkt.
Ich verstehe mich großartig mit den anderen Assistenten. Man hilft einander weiter, tauscht bei Bedarf einen Dienst und kann auch sonst Spaß miteinander haben. Für mich ist auch das ein wichtiger Faktor bei der Auswahl einer Stelle, denn die Stimmung in einer Abteilung kann die Arbeit sowohl einfacher als auch bedeutend schwerer machen.
Später am Abend der Einladung kam auch unser Chefarzt auf mich zu und fragte mich, wie es mir bisher ergangen ist, betonte die positiven Rückmeldungen, die er zu mir erhielt und motivierte mich, meine Forschungsprojekte weiter mit Elan zu verfolgen. Dies war nicht nur ein schönes Feedback für mich, sondern auch als ein wohlgemeinter Rat zu verstehen. Forschungsarbeit ist natürlich an einem Universitätsklinikum weit verbreitet und besser zu bewältigen als in jeder anderen Klinik. Eine Promotion ist jedoch auch in den Verträgen eine Anstellungsbedingung, um nach Erlangen des Facharzttitels auch weiter beschäftigt werden zu können. Die Leitung hat daher ein großes Interesse, dass alle Assistenzärzt*innen sich zumindest auf dem Weg zur Promotion befinden.
Aber auch ohne diese Bedingung lohnt sich für mich der zusätzliche Aufwand. Nicht nur bereitet mir Forschungsarbeit Freude und interessiert mich, sondern sie öffnet auch Türen zu besonders aktiv forschenden Kolleginnen/Kollegen der eigenen Abteilung, sowie auch zu denen aus anderen Kliniken. Kongressbesuche werden in allen mir bekannten Unikliniken gefördert und bezuschusst. Ein gemeinsamer Kongressbesuch ist immer auch ein wenig “Klassenfahrt-Feeling” mit den Kolleginnen und Kollegen.
Mein Fazit
Auf meine ersten 100 Tage als Assistenzarzt blicke ich zufrieden und glücklich zurück. Ich fühle mich gut eingearbeitet und vorbereitet. In der nächsten Zeit erwartet mich zweifelsohne immer wieder „ein Sprung ins kalte Wasser“, jedoch ist das Wasser nun nicht mehr ganz so kühl wie noch vor 100 Tagen.
W. K.,
Münster, Dezember 2022
Neueste Blogbeiträge auf Medizinerlaufbahn.de: