PJ in Großbritannien – Kinderchirurgie

Großbritannien, Newcastle upon Tyne, Great North Children’s Hospital (02.05.-26.06.2022)

Mein PJ-Abschnitt am Great North Children´s Hospital in Großbritannien war eine tolle Erfahrung und ich habe in diesen acht Wochen sehr viel über den Fachbereich der Kinderchirurgie gelernt! Die Einblicke in das andere Gesundheitssystem und den Arbeitsalltag englischer Ärztinnen und Ärzte habe ich als sehr bereichernd empfunden und bin mir sicher, dass mein Aufenthalt in Newcastle upon Tyne mich bezüglich der Wahl meiner späteren Fach- und Forschungsrichtung sehr weitergebracht hat!


Motivation

Nachdem ich bereits während meinen Famulaturen in Thailand und der Schweiz erfahren durfte, wie bereichernd ein Aufenthalt an einer ausländischen Klinik ist, wollte ich auch für mein PJ unbedingt noch einmal in die Ferne. Meine Wahl fiel hierbei auf England, da das englische Bildungssystem als eines der besten der Welt gilt und es schon immer mein Wunsch war, einmal für einen Teil meiner Ausbildung in dieses System hineinschauen zu dürfen. Besonders fasziniert mich auch die Forschungsstärke englischer Universitäten und da ich an einer späteren Tätigkeit in der Forschung sehr interessiert bin, erhoffte ich mir von meinem Aufenthalt in England, ebenfalls Einblicke in die Forschungstätigkeiten englischer Ärztinnen und Ärzte und das Zusammenspiel von klinischer Arbeit und Forschung an britischen Universitäten zu erhalten.

Auf den Spuren von Harry Potter in der Kathedrale von Durham

Da ich mein chirurgisches Tertial gerne im Ausland absolvieren wollte und gleichzeitig schon immer gerne mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hatte, fiel meine Wahl auf den Fachbereich der Kinderchirurgie am Great North Children’s Hospital in Newcastle upon Tyne in England.

Planung und Organisation

An den meisten englischen Universitäten, so auch in Newcastle upon Tyne, sind nur Zeiträume von maximal acht Wochen möglich, sodass ich mein Chirurgie Tertial gesplittet und die erste Hälfte in Deutschland absolviert habe. In Newcastle upon Tyne hatte ich mich sechs Monate vor Beginn meines „Electives“ beworben, da wegen COVID lange Zeit keine Bewerbungen möglich waren.

Das „Medical Electives Team“ der Universität war sehr nett und hilfreich und hatte Fragen zur Bewerbung immer schnell beantwortet. Man benötigte unter anderem einen Englischtest, ein Sprachzertifikat von der Heimat-Universität wurde hier auch akzeptiert, eine Berufshaftpflichtversicherung und ein Führungszeugnis, wobei hier auch Dokumente nachgereicht werden konnten bzw. manche Unterlagen nicht älter als drei Monate sein durften.

Im Laufe des Bewerbungsprozesses musste außerdem ein Gesundheitsfragebogen mit Nachweis verschiedener Impfungen wie MMR, Varizellen und Hepatitis ausgefüllt werden. Vor Einreichen der Bewerbung musste man sich selbst einen „Supervisor“ suchen, der während des „Electives“ für einen zuständig war. Ich hatte über die Website der Kliniken „Consultants“ verschiedener kinderchirurgischer Fachrichtungen gesucht und diese per Mail angeschrieben. Nachdem ich einige Antworten erhalten hatte, habe ich schließlich mit einem „Consultant“ aus dem Bereich der Kinderurologie ausgemacht, für die acht Wochen des „Electives“ mein „Supervisor“ zu sein.

Anreise und Unterkunft

Zur Zeit unseres „Electives“ hatten wir als deutsche Medizinstudierende für einen Aufenthalt von weniger als sechs Monaten kein Visum benötigt. Angereist war ich zusammen mit einer Freundin, die ihr halbes Tertial ebenfalls in Newcastle upon Tyne absolviert hat, mit Van und Fähre von Holland nach „Harwich“. Ein Auto vor Ort zu haben, ist wirklich zu empfehlen, da Mietwägen mit Jungfahrergebühren recht teuer waren und man so an seinen freien Tagen viel von Nordengland und Schottland sehen konnte. Aber auch ohne Auto war Newcastle upon Tyne mit Bus und Zug gut an die Umgebung angebunden, sodass man von dort aus tolle Ausflüge starten konnte.

Die berühmten Brücken von Newcastle upon Tyne

Eine Mietwohnung für den kurzen Zeitraum von zwei Monaten zu finden, gestaltete sich leider etwas schwierig. Eine nette Möglichkeit ist „Erasmus Living“, die verschiedene Erasmus-WGs verwalten und auch öfter kurzfristig noch freie Zimmer anbieten. Zum Zeitpunkt unserer Suche war hier aber leider nichts mehr frei. Ich habe schließlich mit einer Freundin zusammen über „SpareRoom“ eine kleine Einzimmerwohnung in „Gates Head“ gefunden. Die Klinik und die Innenstadt waren von hier aus mit der Metro gut zu erreichen und die Strecke war auch zu Fuß gut machbar, wenn man einmal abends noch länger unterwegs sein wollte.

Mein PJ-Abschnitt am Great North Children’s Hospital

Das Team der Kinderchirurgie bestand aus mehreren „Consultants“, die alle ein spezifisches Fachgebiet hatten wie z.B. „Urology“, „Upper GI“, „Thoracic“ etc. Den „Consultants“ war jeweils ein „Registrar“ zugeteilt, mit dem sie als Team zusammenarbeiteten. Darüber hinaus gab es mehrere „Junior Doctors“ und Medizinstudierende, die ihre Universitätspraktika absolvierten. Während meiner Zeit in Newcastle upon Tyne waren wir vier deutsche PJler*innen in der Kinderchirurgie und den einheimischen Studierenden im letzten Studienjahr gleichgestellt. Hier muss man sagen, dass englische Medizinstudierende im letzten Studienjahr deutlich weniger machen als in Deutschland, da sie nach Abschluss des Medizinstudiums ein sogenanntes „Foundation Year 1 und 2“ absolvieren, was von den Aufgaben her eher unserem Praktischen Jahr ähnelt.

Mein „Supervisor“ war aus dem Fachbereich der Kinderurologie, aber ich konnte auch jederzeit bei anderen OPs und Sprechstunden aus anderen Bereichen zuschauen und habe so ein sehr breites Spektrum mit vielen unterschiedlichen kinderchirurgischen Krankheitsbildern gesehen.

Blick auf den Campus der Newcastle University

Blick auf den Campus der Newcastle University

Generell ist das Great North Children’s Hospital ein sehr großes, überregionales Zentrum, sodass viele schwer kranke Kinder von überall her hier behandelt werden. So hatte ich die Möglichkeit, viele seltene, schwerwiegende Krankheitsbilder und spannende OPs zu sehen, die ich so vermutlich nicht wieder erleben werde. Abwechselnd waren alle „Consultants“ auch für den Bereitschaftsdienst zuständig, bei dem sie dann Patient*innen aus allen kinderchirurgischen Bereichen sowie Notfälle betreuten, sodass man auch hier viele unterschiedliche und spannende Fälle sehen konnte.

Meine Arbeitstage in der Kinderchirurgie

Grundsätzlich begann jeder Tag morgens um 8:00 Uhr mit einer Übergabe der Chirurg*innen untereinander, an der wir als Studierende immer teilnehmen durften. Nach der Übergabe bin ich regelmäßig bei Visite mitgegangen und habe mich danach meistens am Tagesplan meines „Supervisors“ orientiert und an seinen Sprechstunden und OPs teilgenommen. Hier durfte ich mich auch öfter einmal einwaschen und assistieren. Je nachdem, mit welcher Ärztin, welchem Arzt man unterwegs war, durfte man auch einmal bei Visite mitdokumentieren, auf Station Blut abnehmen und Zugänge legen, bei den Entlass Briefen helfen oder in der Notaufnahme Patient*innen befragen.

Je nach Programm waren die Arbeitstage unterschiedlich lange:

Oft bin ich bis 17:00 Uhr oder 18:00 Uhr in der Klinik geblieben, manchmal konnte ich aber auch schon etwas früher nach Hause. Generell gab es keine offiziellen Arbeitszeiten oder Anwesenheitspflichten für Medizinstudierende und den meisten „Supervisor“ war es nicht so wichtig, wann und wie lange ihre Studierenden tatsächlich vor Ort waren. Wenn man aber regelmäßig anwesend war und Interesse zeigte, durfte man mit der Zeit auch immer mehr machen.

Grundsätzlich muss man allerdings sagen, dass Medizinstudierende in England deutlich weniger praktisch machen dürfen als in Deutschland, sodass Nähen im OP oder selbständiges Untersuchen von Patient*innen je nach „Supervisor“ eher selten waren. Dennoch würde ich sagen, dass ich in diesen acht Wochen viel gelernt habe, da man Visiten oder Übergaben nie verpasste, wie es bei uns leider oft der Fall ist, wenn z.B. viele Blutentnahmen anstehen. Man konnte die Patient*innen über längere Zeit begleiten und somit viel über Therapie und Krankheitsverläufe lernen. Außerdem gab es regelmäßig Fortbildungen und Teachings für die ganze Abteilung, an denen wir teilnehmen durften und von denen man auch einiges mitnehmen konnte. Meistens montags fand für die Medizinstudierenden und „Junior Doctors“ ein sehr gutes Teaching statt, für das wir abwechselnd eigene Vorträge vorbereiten mussten. Generell waren alle immer sehr bemüht, Fragen zu beantworten und uns viel beizubringen.

The Great North Children's Hospital in Newcastle upon Tyne

The Great North Children’s Hospital in Newcastle upon Tyne

Neben der klinischen Arbeit durfte ich auch an einem Forschungsprojekt meines „Supervisors“ mitarbeiten und Patientendaten für eine retrospektive klinische Studie raussuchen, was eine schöne Abwechslung zum Klinikalltag war und eine tolle Möglichkeit, als Co-Autor an einem Paper mitzuwirken.

So konnte ich, wie erhofft, ein paar Einblicke in die englische Forschungslandschaft und den Ablauf einer klinischen Studie erhalten, was mir für meine eigene spätere Tätigkeit sehr weitergeholfen hat.

Zu Beginn des „Electives“ hatten wir Studentenausweise der Universität erhalten, sodass wir alle Einrichtungen auf dem Campus nutzen konnten. Auch in der Klinik hatten wir Computerzugänge und Schlüsselkarten bekommen, sodass wir eigenständig auf Patientenakten zugreifen und selbstständig arbeiten konnten. Im Klinikgebäude gab es eine kleine Bibliothek mit Computern und Arbeitsplätzen, die von den Studierenden genutzt werden konnte. Darüber hinaus hatten wir auch Zugang zu den Räumlichkeiten der medizinischen Fakultät und konnten die dortige Bibliothek benutzen als auch Bücher ausleihen.

Leben in Großbritannien und Freizeit

Newcastle upon Tyne ist mit seinen beiden großen Universitäten eine echte Studentenstadt. So gibt es viele Bars und Cafés, welche man nach der Arbeit oder am Wochenende besuchen kann. Auch sonst hat die Stadt freizeittechnisch einiges zu bieten. Es gibt ein günstiges Kino, Theater und viele tolle second-hand Buchläden. Mit der Metro ist man in ca. 30 min in „Tynemouth“ oder „South Shields“ am Strand und kann hier surfen oder bei schönem Wetter die Promenade entlanglaufen und sich eine Portion „Fish ‘n Chips“ holen. Das Meiste kann hier mit Kreditkarte bezahlt werden, sodass ein kleiner Bargeldvorrat ausreicht. Glücklicherweise galt derzeit noch eine Übergangsregelung, nach der bis Ende des Jahres für Großbritannien keine „Roaming-Gebühren“ anfielen, sodass wir uns bezüglich der Anschaffung einer britischen SIM-Karte keine Gedanken machen mussten.

Generell sind die Preise in Großbritannien, vor allem für Lebensmittel und in der Gastronomie, teurer als in Deutschland. Auch die Mieten können leider recht hoch sein, je nach Wohnung evtl. £500 oder mehr/Monat, sodass man entsprechend etwas mehr Budget einplanen sollte. Viele Universitäten bieten Unterstützung in Form von Reisekostenstipendien oder Ähnlichem an, über die man sich rechtzeitig informieren sollte.

Hogwarts hautnah erleben in Alnwick Castle

Hogwarts hautnah erleben in Alnwick Castle

Der Nordosten Englands ist mit seiner langen Küstenlinie und den vielen Castles sehr sehenswert und auch die Strecke nach Schottland ist nicht weit, sodass man an freien Tagen unglaublich viel unternehmen kann.

Besonders empfehlenswert ist die „Coastal Route“ Richtung Norden, die an wunderschönen kleinen Städten wie „Bamburgh“ und „Craster“ mit ihren imposanten Schlössern vorbeiführt. Auch „Holy Island“ und die „Farne Islands“ mit ihren Papageientauchern, Seehunden und riesigen Vogelschwärmen sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Nicht weit südlich von Newcastle upon Tyne liegt „Durham“, eine wunderschöne Universitätsstadt, in deren Kathedrale einige Szenen der Harry Potter Filme gedreht wurden. Auch „Alnwick Castle“ als Kulisse für das „Hogwarts“ der ersten beiden Filme sollten sich Potter-Fans nicht entgehen lassen.

In Nordengland gibt es darüber hinaus viele schöne Nationalparks wie den „Lake District National Park“ oder den „Northumberland National Park“ mit der berühmten „Hadrian’s Wall“, die gut an einem Wochenende besucht werden können. Wer sich ein verlängertes Wochenende nehmen kann, sollte auf jeden Fall auch die Gelegenheit nutzen, über die nur knapp 1.5 h entfernte Grenze nach Schottland zu fahren, sich die wunderschöne Stadt Edinburgh anzuschauen und bei genügend Zeit noch weiter in die atemberaubende Landschaft der Highlands zu fahren.

Fazit und Ausblick

Mein PJ-Abschnitt in Großbritannien war eine tolle Erfahrung und ich habe in diesen acht Wochen sehr viel über den Fachbereich der Kinderchirurgie gelernt! Die Einblicke in das andere Gesundheitssystem und den Arbeitsalltag englischer Ärztinnen und Ärzte habe ich als sehr bereichernd empfunden und bin mir sicher, dass mein Aufenthalt in Newcastle upon Tyne mich bezüglich der Wahl meiner späteren Fach- und Forschungsrichtung sehr weitergebracht hat!

Traumhafter Ausflug nach Schottland

Traumhafter Ausflug nach Schottland

Ich möchte mich ganz herzlich bei Herrn Peter Karle für die Unterstützung bedanken!

(Anm. d. Redaktion: Peter Karle, 2010-2023 Chefredakteur der Seite „Medizinernachwuchs“, ab Mai 2023 Chefredakteur der Seite Medizinerlaufbahn.de).

A., J.
Newcastle upon Tyne, Juni 2022


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