Das Thema „Doktorarbeit“ – es kommt! Mit diesem Erfahrungsbericht möchte ich meine persönlichen Tipps und Erfahrungen für eine erfolgreiche Doktorarbeit in der Medizin an nachfolgende Medizinstudierende und Doktorand*innen weitergeben. Die Tage waren lang, die Freizeit kam zu kurz und parallel für die Universität zu lernen eigentlich unmöglich. Aber ich habe sehr viel gelernt in diesen zweieinhalb Jahren. Über Arbeit im Team, Wissenschaft, Medizin, Verfassen von wissenschaftlichen Texten, Zeitmanagement, Priorisierung und Geduld!
Zeitraum der Doktorarbeit (15.11.2020 – 26.04.2023)
Schritt 1: Will ich überhaupt eine Doktorarbeit schreiben?
Ich erinnere mich noch gut an folgende Szene während meines Pflegepraktikums vor dem Beginn meines Medizinstudiums. Es war Chefarzt-Visite und ich durfte mit in das Patient*innenzimmer. Die betagte Dame stand kurz vor der Entlassung und schien sehr zufrieden mit dem Therapieverlauf und der Behandlung. Sie bedankte sich bei der Assistenzärztin mit den Worten „… vielen Dank, Frau Doktor!“. Der Chefarzt kommentierte: „Frau X ist nur Ärztin und hat keinen Doktortitel.“ Eine einfache Aussage, möglicherweise sogar als Witz angedacht, aber für mich prägend. Insofern, dass ich mir zum Ziel gesetzt hatte, meinen Doktortitel noch vor meiner Zeit als Assistenzärztin zu erreichen – wenn irgendwie möglich.
Schritt 2: Die Themensuche
So fing ich nach meinem Physikum mit der Suche für ein geeignetes Thema an. Bei mir wurde dies jedoch durch die Corona-Pandemie stark erschwert, denn es war die Zeit des ersten Lockdowns. Niemand hatte Ahnung, was die Zukunft bringen würde, die meisten Pläne und Forschungen wurden erst einmal pausiert und persönliche Treffen oder Kontakte gab es auch nicht.
Ich versendete eine E-Mail an alle möglichen Abteilungen, an denen ich prinzipiell Interesse hatte. Manchmal bekam ich eine Absage, manchmal hörte ich auch gar nichts. Nach diesem holprigen Start legte ich das Projekt Doktorarbeit erstmal auf Eis, genoss meine Semesterferien, sammelte spannende Erfahrungen in verschiedenen Famulaturen und beschloss, mich im neuen Semester wieder darum zu kümmern.
Auch dieses Mal versendete ich E-Mails an verschiedene Abteilungen und schrieb nun gezielt auch Chef- und Oberärzt*innen an. Ich hatte Glück, erreichte eine engagierte Ärztin und diese brachte mein Anliegen in einer Frühbesprechung vor. Daraufhin meldete sich eine Ärztin und stellte mir drei mögliche Themen und Arbeiten vor. Während mir noch die verschiedenen Inhalte und Abläufe erklärt wurden, merkte ich, dass ich aufgrund der zuvorkommenden und engagierten Art gerne mit dieser Betreuerin zusammenarbeiten wollen würde. Auch die Themen klangen spannend und so entschied ich mich für eine statistische Arbeit in der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Es war auch ein kurzer prospektiver Teil enthalten, der die Psychosomatik näher betrachtete. Für mich eine tolle Kombination aus statistischer Auswertung bereits erhobener Patientendaten und der Möglichkeit einer eigenen Datenerhebung mittels Fragebögen.
Im Vorfeld hatte ich mir bereits überlegt, welche Art von Doktorarbeit ich schreiben möchte und für mich beschlossen, dass es eine statistische Arbeit werden sollte. Ein Freisemester kam für mich zu dem Zeitpunkt nicht in Frage bzw. ich wollte nicht von Anfang an ein Freisemester planen. Wenn es sich ergeben hätte oder ich die Zeit gebraucht hätte, hätte ich es nicht ausgeschlossen, aber ich wollte erstmal noch ein bisschen weiter studieren. Hier hatte Corona auch einen großen Vorteil für mich – ich hatte viel mehr Zeit als sonst. Die sozialen Aktivitäten waren auf ein Minimum reduziert, die Lehre fand nur online statt und es war noch dazu Winter.
Schritt 3: Literaturrecherche, Datenerhebung, Statistik & Schreiben einer ERSTVERSION
Und so begann ich im November 2020 mit dem Projekt „Doktorarbeit“. Nach einer ersten ausführlichen Literaturrecherche in „Pubmed“ und Strukturierung meines Themas, verfasste ich das Exposé, stellte den Ethikantrag und beantragte die Zugänge für die verschiedenen Software-Programme, um auf die elektronischen Patientenakten Zugriff zu erhalten. Im Januar 2021 lag dann das positive Ethikvotum des Ethikkomitees vor und ich konnte loslegen, pünktlich zum Start der Semesterferien.
Die nächsten sechs Wochen verbrachte ich dann auch durchgehend im Büro und übertrug die Patient*innendaten in EXCEL-Tabellen. Nachdem auch die letzte Zahl eingefügt war, begann Teil 2 – die Statistik. Ich hatte mir im Vorfeld schon Gedanken gemacht, mit welchen Tests ich welche Variable untersuchen wollte. Hierfür konnte ich auch mit einem Statistiker unserer Universität regelmäßig Rücksprache halten. Die geplanten Analysen führte ich dann eigenständig mit SPSS durch, welches ich für meinen PC erwarb. So konnte ich bequem von zu Hause arbeiten. Auch dieser Abschnitt dauerte nochmals einige Wochen und zog sich bis in das nächste Semester hin. Neben den Analysen erstellte ich zudem gleich einige Diagramme. Obwohl ich keinerlei EXCEL- oder SPSS-Vorkenntnisse hatte, waren die Programme dank ausführlicher YouTube-Videos und Anleitungen aus dem Internet gut zu bedienen.
Einreichung bei der Akademie für Ethik in der Medizin e.V.
Gleichzeitig erstellte ich einen Fragebogen und versandte diesen an die noch lebenden Patient*innen und deren Angehörige. Nachdem der letzte Fragebogen versendet war, konnte ich endlich wieder ein bisschen durchatmen und die letzten Semesterwochen zur Entspannung nutzen, denn in den Sommersemesterferien sollte es gleich weitergehen, schließlich wollte ich ja meine Doktorarbeit während des Studiums beenden.
Tatsächlich nutzte ich dann auch die gesamten Semesterferien und schrieb einen ersten Entwurf.
Schritt 4: Korrektur, korrigieren, Korrektur; ENDVERSION!
Den ersten Entwurf bekam meine Betreuerin zur Korrektur. Dies dauerte natürlich auch einige Wochen, in welchen ich mich mal nur mit der Uni beschäftigte. Nach der Rückmeldung erfolgten wieder eine ausgiebige Verbesserung und eine erneute Korrektur. Und schließlich, neun Monate nach Schreibbeginn, konnte ich endlich meine Endfassung im Promotionsbüro einreichen.
Dieses korrigierte meine Arbeit auch nochmal bezüglich formeller Fehler und gab mir dann etwa zwei Monate später Rückmeldung. Ich hatte das Glück, nur minor Korrekturen durchführen zu müssen, d.h. ich musste nur kleine Korrekturen vornehmen, die beispielsweise Seitenzahl, Inhaltsverzeichnis oder Schrift betrafen. Dies motivierte natürlich zusätzlich, sodass ich nach genauer und ausführlicher Korrektur im August 2022 endlich die gebundene Fassung offiziell einreichen konnte. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können, denn nur eine Woche später ging es für mich auch schon in mein Auslandssemester.
Schritt 5: Die Verteidigung der Doktorarbeit
Im Januar 2023 erhielt ich dann schließlich die Rückmeldung aus dem Promotionsbüro meiner Universität, dass meine Arbeit fertig korrigiert wäre und nun zur Verteidigung zugelassen sei. Hierfür vereinbarte ich Ende April 2023 zusammen mit meinem Doktorvater und meinem Zweitbetreuer, die beide meine Prüfer waren, einen Termin. Zu dem Prüfungskomitee gehörte außerdem noch eine unabhängige bzw. fachfremde Prüferin.
Die Prüfung selbst war viel entspannter als gedacht. Klar, ich war super nervös die Tage zuvor, aber die Tatsache, dass meine Doktorarbeit mit der Einladung zur Verteidigung schon als promotionswürdig befunden wurde und die letzten Jahre an meiner Universität niemand durchgefallen war, beruhigten mich etwas. Die Atmosphäre war fast schon entspannt, okay, vielleicht nicht ganz für mich, aber man merkte, dass die anwesenden Prüfer*innen schon öfter eine Verteidigung mitgemacht hatten und mir auch keine Steine mehr in den Weg legen wollten!
Erleichtert und überglücklich über meine erfolgreiche Doktorarbeit in der Medizin
Erst gab es eine kurze Begrüßung und Einführung der Prüfungsvorsitzenden, dann hielt ich einen kurzen Vortrag über meine Arbeit. Dieser dauerte etwa 10 Minuten und beinhaltete alle wichtigen Ergebnisse und Punkte. In den nächsten 30 Minuten wurden mir noch Fragen zu den Themen meiner Doktorarbeit gestellt. Also alles gut machbar, schließlich hatte ich mich ja die letzten zweieinhalb Jahre viel mit dem Thema beschäftigt und auch die letzten Wochen nochmal eingelesen. Die Prüfer*innen besprachen sich kurz und verkündeten mir sogleich mein Ergebnis. Die Urkunde gibt es jedoch leider erst nach der Approbation.
Ich war sehr erleichtert und überglücklich, auch diesen Abschnitt meines Medizinstudiums, Zeitraum der Doktorarbeit 15.11.2020 – 26.04.2023, nach zweieinhalb Jahren erfolgreich hinter mich gebracht zu haben!
Darauf wurde natürlich vor dem Klinikum angestoßen und als Göttinger Studentin durften natürlich der traditionelle Kuss und Blumen für das Gänseliesel nicht fehlen!
Und was hätte ich gerne zuvor gewusst?
Auch wenn sich mein Ablauf fast schon exemplarisch liest, kann ich sagen, das war er absolut nicht!
Die Datenerhebung hatte sich schon auch gezogen und nicht immer Spaß gemacht, an der Statistik war ich das eine oder andere Mal verzweifelt. Oft saß ich vor den Word-Dokumenten und wusste einfach nicht, was ich schreiben sollte oder war von der Menge an Paper zu dem Thema einfach überfordert! Die Tage waren lang, die Freizeit kam zu kurz und parallel für die Universität zu lernen eigentlich unmöglich.
Aber ich habe sehr viel gelernt in diesen zweieinhalb Jahren. Über Arbeit im Team, Wissenschaft, Medizin, Verfassen von wissenschaftlichen Texten, Zeitmanagement, Priorisierung und Geduld!
Deshalb meine Tipps für Dich:
Überlege Dir erstmal genau, was Du machen möchtest und auch wie. Labor, klinische Studie, statistische Datenerhebung. Ein Freisemester nehmen oder lieber in den Semesterferien daran arbeiten? Welche Ziele hast Du mit Deiner Doktorarbeit? Nur den Titel oder möchtest Du gerne eine Karriere in der Forschung machen? Paper veröffentlichen und auf Kongresse fahren? Und bespreche dies auch mit Deiner Betreuerin/Deinem Betreuer, damit es keine falschen Erwartungen oder Missverständnisse am Ende gibt!
Die Betreuung ist für mich persönlich sowieso das das A und O! Das spannendste Thema macht keinen Spaß, wenn man wochenlang auf Mails warten muss, Treffen zeitnah nicht möglich sind, man sich nicht auf Aussagen verlassen kann und Fragen nicht ausreichend beantwortet werden! Man kommt dann einfach nicht voran und das frustriert mehr als alles andere! Ich hatte hier wirklich unglaubliches Glück, kenne aber auch einige andere Fälle. Also am besten, sich ein bisschen erkundigen. Eventuell hattest Du ja schon Vorlesungen bei der Person, kennst sie persönlich oder kannst Dich auf Aussagen von Kommiliton*innen verlassen bzw. mehr über die Arbeitsweise und Verlässlichkeit durch Kolleg*innen in Erfahrung bringen. Manchmal eilt ja dem ein oder anderen schon ein gewisser Ruf voraus – sei er negativ oder positiv.
Aber das Allerwichtigste! DU musst es wirklich wollen und nicht nur machen, weil es alle machen oder Du das Gefühl hast, dass es erwartet wird! Denn es wird sich lange ziehen, Du brauchst Geduld und Ausdauer. Vieles wird wahrscheinlich auch mal schief gehen, manches wirst Du umsonst machen und viel Zeit mit warten auf die Korrekturen der Betreuer*innen verbringen.
Deshalb ist es auch hilfreich, einen Zeitplan zusammen mit Deiner Betreuerin/Deinem Betreuer zu schreiben, sodass Ihr beide ein ähnliches Zeitkonzept habt und Deadlines von beiden Seiten eingehalten werden können. Er sollte realistisch sein, genug Freiraum für Praktikum, Studium und Privates lassen und Dich so motivieren, dabei zu bleiben.
Mit genügend Fleiß, Ehrgeiz und Motivation wirst Du am Schluss Deinen Doktortitel schaffen und offiziell „Dr. med.“ sein!
S., L.
Göttingen, Juni 2023