Südafrika, Johannesburg, Chris Hani Baragwanath Academic Hospital (03.08. – 14.09.2021)
Wenn ich an meine Zeit in Südafrika und meine Famulatur am „BARA“ in der Notfallmedizin und Traumatologie zurückdenke, kann ich sagen, dass ich innerhalb von sechs Wochen noch nie so viel fachlich und über mich selbst gelernt habe. Ich kann Euch einen Aufenthalt am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg wirklich empfehlen. Ich weiß, dass ich irgendwann ans „BARA“ zurückkehren werde!
Meine Motivation
Ich habe meine Ambulanz-Famulatur am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital („BARA“) der University of the Witwatersrand in Johannesburg in der Medical Emergency Unit (MEU) und in der Trauma Emergency Unit (TEU) absolviert. Durch meine früheren Reisen in das südliche Afrika faszinierte mich dieser Teil der Welt schon sehr lange. Bei einem Aufenthalt in Namibia hatte ich mich über die Möglichkeiten der Auslandsfamulatur informiert. Da ich eine Weiterbildung in der Orthopädie/Unfallchirurgie anstrebe, war ich auf das „BARA“ aufmerksam geworden.
Nachdem ich zahlreiche Erfahrungsberichte zu Südafrika verschlungen hatte, musste ich mich bewerben. Wie schon in Erfahrungsberichten zuvor geschrieben, ist das Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg für seine Trauma Unit weltweit bekannt! Es ist eins der größten Krankenhäuser der Welt mit ca. 3.300 Betten und durch seine Lage im Stadtteil Soweto „bietet“ das „BARA“ Krankheitsbilder, die man in Europa in dieser Form selten zu sehen bekommt – so zum Beispiel Stich- und Schussverletzungen.
Bewerbung, Vorbereitung, Organisation und persönliche Tipps
Ich möchte hier das Wichtigste vorwegnehmen bzw. Euch ein Missverständnis ersparen, das mir widerfahren ist. Emergency Medicine und die Trauma Unit sind zwei voneinander getrennte Departments und teilen, außer manchmal das BGA-Gerät, nichts.
Ich hatte mich an erster Stelle für die Emergency Medicine beworben und an zweiter Stelle für die Trauma Unit. Zum Zeitpunkt meiner Bewerbung (Mitte 2020) war mir der Unterschied der beiden Departments nicht ganz klar und durch meine Erfahrungen in einer Corona-Notaufnahme wollte ich auch mehr über internistische Notfälle erfahren. Als ich mich beworben hatte, dachte ich, dass die beiden Departments zusammenarbeiten würden. Nach meiner Ankunft teilten mir meine Mitbewohner*innen mit, dass diese Departments zwei komplett voneinander getrennte Notaufnahmen sind. Jedes Department hatte einen eigenen „Head of Department“ (Trauma: Dr. Pretorius; Emergency Medicine: Prof. Dr. Zeyn Mahomed) und ein eigenes Team. Die Notaufnahmen sind im gleichen Gebäude bzw. die Eingänge liegen Tür an Tür, jedoch arbeitet man nicht zusammen, außer für Konsile bzw. wenn das eigene BGA-Gerät nicht mehr funktioniert.
Wenn Ihr Euch für einen Aufenthalt am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital bewerbt, seid Euch dieses Unterschieds bewusst. Ihr könnt in beiden Departments viel lernen und wie Ihr an meinem Beispiel sehen werdet, war ein Wechsel problemlos möglich, jedoch hätte ich mir den Stress gerne erspart. Deshalb mein Tipp: Überlegt Euch vorher, was Ihr sehen und lernen möchtet. Da ich eher chirurgisch interessiert bin, habe ich den Großteil meiner Zeit in der Trauma Emergency Unit verbracht. Ich habe den Wechsel persönlich mit dem „Head of Department“ abgesprochen, ohne dass die dortige Universität davon in Kenntnis gesetzt wurde. So habe ich eineinhalb Wochen in der Medical Emergency Unit (MEU) und dreieinhalb Wochen in der Trauma Emergency Unit (TEU) verbracht.
Hier komme ich zu einem Problem, das leider damals alle internationalen Medizinstudierenden betraf – die Kommunikation mit der damals erst seit kurzem zuständigen neuen „Elective Officer“. Hätte ich versucht, den Wechsel über den offiziellen Weg zu organisieren, würde ich heute zurück in Deutschland sein, ohne das „BARA“ je betreten zu haben. Mit der damaligen „Elective Officer“, die für die internationalen Medizinstudierenden vonseiten der Universität aus zuständig war, war es schwer, Informationen per E-Mail zu bekommen oder sie persönlich in ihrem Büro zu treffen. Also, falls Ihr auf Eure Bewerbung keine Antwort erhaltet bzw. keine Rückmeldungen auf Eure Mails kommen, scheut Euch nicht, einfach täglich Mails zu schicken, bis Euch geantwortet wird!
Falls Ihr in die MEU oder TEU wollt, könnt Ihr auch die „Head of Departments“ in den CC setzen. Ich war froh, dass meine Bewerbung für das „Bara“ damals noch von der Vorgängerin bearbeitet wurde, denn alles Organisatorische mit der während meiner Zeit in Südafrika zuständigen „Elective Officer“ vor Ort war sehr mühsam – das Bezahlen der Studiengebühren, die Anmeldung beim Health Professions Council of South Africa (HPCSA), eine gesetzliche Aufsichtsbehörde für Gesundheitsberufe in Südafrika, etc.). Es hat oft nur durch die Unterstützung unserer Vermieterin, auf die ich noch zu sprechen komme, funktioniert.
Blick auf die Skyline von Johannesburg – Südafrika
Ansonsten lässt sich zur Vorbereitung sagen, dass Ihr das richtige Visum benötigt. Bei mir hatte das normale Touristen-Visum gereicht, da ich nicht länger als 90 Tage in Südafrika war. Wenn Ihr einen längeren Aufenthalt plant, benötigt Ihr ein Studien-Visum, das speziell beantragt werden muss.
(Anm.d.Red. Um auf der ganz sicheren Seite zu sein, sollte man sich immer rechtzeitig bei der Botschaft des jeweiligen Landes nach den aktuellen Einreisebestimmungen erkundigen. Hierbei sollte man unbedingt erwähnen, dass man sich nicht zu Urlaubszwecken, sondern zu einer medizinischen Tätigkeit im Rahmen seines Medizinstudiums im betreffenden Land aufhalten wird).
Eure Reiseimpfungen solltet Ihr vor Abreise überprüfen lassen und Euch über die aktuellen Covid-Reisebeschränkungen informieren. Es ist auf jeden Fall von Vorteil, sich vor der Abreise mit medizinischem Englisch zu befassen, es ist aber kein Muss. Man kommt mit seinem normalen Englisch schon sehr weit. Es ist jedoch ratsam, wenn man gleich voll mitarbeiten möchte, die gängigsten medizinischen Abkürzungen und Termini zu kennen.
Unterkunft und die Stadt Johannesburg
In Johannesburg habe ich in der „Elective Accommodation“, die von Christine Loukakis (loukakis@iafrica.com ) betrieben wird, gewohnt. Diese befindet sich im Süden von Johannesburg in „Mondeor“ und ist ca. sieben Kilometer vom Chris Hani Baragwanath Academic Hospital entfernt. Christine hat sich in den letzten 20 Jahren auf internationale Medizinstudierende und Ärzt*innen spezialisiert und wird auch von der University of the Witwatersrand als Unterkunft empfohlen.
Ich kann das Wohnen bei Christine nur wärmstens empfehlen! Sie wohnte ebenfalls auf dem Grundstück. Man hatte immer die Möglichkeit, bei Unklarheiten und Fragen an ihrem Küchentisch zu sitzen und die Themen bei einem Glas Wein zu klären. Christine ist bestens vernetzt in Johannesburg und kennt für jede Aktivität die richtige Person. Sie kannte auch die Probleme, die man in der Kommunikation mit der Universität bzw. speziell mit der damals zuständigen „Elective Officer“ haben konnte und unterstützte einen bei organisatorischen Dingen. Außerdem war sie daran interessiert, dass man während seines Aufenthalts etwas von Johannesburg und Südafrika sieht und nicht nur arbeitet.
Dazu organsierte sie z.B. Kochabende in der Unterkunft, nahm einen mit in den „Krüger-Nationalpark“ oder buchte einem eine Fahrradtour durch „Soweto“. Zudem war die Gemeinschaft innerhalb der Unterkunft hilfreich und schön. Alle, die dort wohnten, waren als Medizinstudierende oder Ärzt*innen am „BARA“. Man konnte sich austauschen und die Abende gemeinsam ausklingen lassen. Dies hat mir in der Zeit meines Aufenthalts sehr geholfen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Man hatte durch sein eigenes Zimmer aber immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, wenn man mal Ruhe brauchte.
Victoria Yards in Lorentzville – einem Vorort von Johannesburg in Südafrika
Johannesburg ist eine Stadt der Gegensätze. Man hat wunderschöne Ecken mit interessanten, urbanen Projekten wie „Vitoria Yards“ oder „44 Stanleys“. Zwei Straßen weiter sieht man aber bittere Armut. Dieser Gegensatz ist sinnbildlich für die massiven sozialen Probleme, die es in Johannesburg bzw. in ganz Südafrika gibt. Deswegen ist, so schön diese Stadt und das Land auch sein mögen, immer Vorsicht geboten! Es ist in Johannesburg nicht möglich bzw. nicht ratsam, die Stadt auf eigene Faust zu Fuß zu erkunden.
Gerade durch die wirtschaftlichen Folgen, die Covid auf die Bevölkerung hatte, war die Stimmung angespannter, auch politisch. Die Menschen waren froh, wieder rauszukommen, arbeiten zu können, feiern zu können. Jedoch waren viele auch unzufrieden und wütend. Es herrschte teilweise eine große Skepsis gegenüber Covid und der Impfung, da traditionelle Heiler und Verschwörungstheorien eine große Rolle spielten. Dazu hat Südafrika eher laxe Waffengesetze und die Folgen dieser Mischung sah man oft im „BARA“ in der TEU.
Es lohnte sich für Johannesburg, ein eigenes Auto zu mieten, damit man gut und sicher von A nach B kam, sich eine südafrikanische SIM-Karte zuzulegen und auf die aktuellen Covid-Regularien zu achten. Den Großteil meiner Zeit, die ich in Johannesburg war, war Ausgangsverbot ab 22:00 Uhr abends, sodass z.B. die Restaurants um diese Uhrzeit geschlossen hatten. Es wurde von Donnerstag, 18:00 Uhr, bis montagmorgens kein Alkohol verkauft. Trotz aller Umstände hatten wir wunderschöne Abende in und außerhalb Johannesburgs. Ein Trip in die „Drakensberge“ lohnt sich auf jeden Fall, wenn Ihr wie ich gerne wandern geht.
Das medizinische Ausbildungssystem in Südafrika
Bevor ich auf meine Arbeit am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg eingehe, möchte ich kurz das medizinische Ausbildungssystem in Südafrika erläutern, da ich mich oft gefragt habe, mit wem ich gerade spreche, denn Namensschilder findet man eher selten und die Menschen tragen oft ihre privaten „Scrubs“. Das Medizinstudium in Südafrika dauert ebenfalls sechs Jahre. Die Medizinstudierenden befinden sich aber für das 5. und 6. Jahr in klinischen Rotationen, die meistens zwei bis vier Wochen dauern. Wenn man das Medizinstudium abgeschlossen hat, folgt das „Internship“, welches zwei Jahre dauert. Dieses ist ebenfalls durch Rotationen durch die verschiedenen Fachbereiche gekennzeichnet, die meistens ca. drei Monate dauern.
Nach der Zeit als „Intern“ folgt ein Jahr im „Community Service“. Wenn man all dies abgeschlossen hat, kann man sich als „Medical Officer“ (MO) bewerben. Diesen Weg beschreiten viele, da die Stellen als „Registrar“ (fachspezifische Ausbildung) dünn gesät sind. Viele „MOs“ arbeiten dann schon in ihrer angestrebten Spezialisierung. Als „Registrar“ muss man ebenfalls durch die verschiedenen Bereiche der gewählten Spezialisierung rotieren. Die Ausbildung kann hier – wie in Deutschland– mehrere Jahre dauern. Es wird in „Junior Registrar“ und „Senior Registrar“ unterschieden, je nach Stand der Ausbildung. Als „Consultant“ hat man seine Spezialisierung abgeschlossen.
Meine Famulatur am „BARA“ in Johannesburg
- In der Emergency Medicine
In der Emergency Medicine werden alle internistischen Notfälle, die ins „BARA“ kommen, behandelt. Die Krankheitsbilder bzw. die Nebendiagnosen unterscheiden sich von dem, was man in Deutschland kennt. Gerade Tuberkulose, Wasting-Syndrom bei AIDS und Vergiftungen mit Organophosphaten spielen hier eine große Rolle. Jedoch sieht man auch Bekanntes wie eine dekompensierte Herzinsuffizienz, einen epileptischen Anfall oder einen Schlaganfall.
Der Tag in der Medical Emergency Unit (MEU) begann um 8:00 Uhr mit der Übergabe des Nachtdienstes. Zuerst wurden die drei Patient*innen, die sich im „Resus“ befanden, kurz für „Resuscitation Area“, in der kritische/intubierte Patient*innen behandelt werden, vorgestellt. Dabei fand oft ein gutes Teaching der „Consultants“ zu den vorgestellten Krankheitsbildern statt. Der Dienst unter der Woche ging meistens bis ca. 15:00 Uhr, wenn an den Spätdienst übergeben wurde. Freitags und am Wochenende waren es jeweils 12-Stunden-Schichten. In der MEU konnte man seine praktischen Fähigkeiten in der körperlichen Untersuchung, im Ultraschall, in Blutentnahmen, venös und arteriell, und in der EKG-Auswertung verbessern. Da die Kommunikation mit den Patient*innen durch die Sprachbarriere leider öfters schwer fiel, viele der Patient*innen sprachen nur „Zulu“, „Xhosa“ oder schlechtes Englisch, waren ausführliche Anamnesen nicht ganz so einfach.
Dadurch und durch die Krankheitsbilder, welche man aus Deutschland in dieser Ausprägung meistens nur aus Lehrbüchern kennt, hatte ich oft das Gefühl, etwas zu übersehen, wenn ich selbst Patient*innen untersuchte. Die einheimischen Medizinstudierenden, die „Interns“, „MOs“ und „Registrars“ standen einem im Alltag aber immer zur Seite und halfen einem. Außerdem mussten alle Patient*innen, die durch Medizinstudierende aufgenommen wurden, einem „MO“ oder einem „Registrar“ vorgestellt und die Verdachtsdiagnose sowie der Behandlungsplan abgesprochen werden.
Eingang zur Ward 1 am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg – Südafrika
- In der Traumatologie
Wie oben geschrieben, war ich nur eineinhalb Wochen in der Medical Emergency Unit geblieben, da mein Herz für die Chirurgie schlägt. In der Trauma Emergency Unit (TEU) begann der Tag um 7:00 Uhr mit einer Übergabe im „Resus“. Der „Resus“ der TEU hatte 15 Betten bzw. am Wochenende auch mal mehr. Hier sah man von Kindern mit schweren Verbrennungen, über multiple Stichverletzungen bis hin zum Hochrasanztrauma alles. Auch Opfer von „Mob Assaults“ fand man hier oft. Diese spezielle Form der Selbstjustiz ist gängig in Südafrika. Da die einheimische Polizei als korrupt und träge gilt, „helfen“ sich die Menschen in den Gemeinden selbst.
Danach ging es in den „Pit“. Das ist der Bereich der Notaufnahme, in welchem die „nicht kritischen“ Patient*innen untersucht und behandelt werden. Im „BARA“ ist alles nicht kritisch, was nicht akut lebensbedrohlich ist. Also konnte es auch mal sein, dass man Patient*innen im „Pit“ behandelte, die mit 80 km/h einen Autounfall oder sich drei Finger amputiert hatten. Außerdem seht Ihr hier viele Opfer von häuslicher Gewalt.
Die Übergabe geht dann im „Ward 1“, Unfallchirurgische Station, weiter. Insgesamt hatte die Station 58 Betten, die sich in drei Flure unterteilten. Ein Flur war für Frauen und zwei Flure waren für Männer. Im Hauptflur gab es einen Bereich mit ca. sechs Betten, in welchem eine Überwachung am Monitor möglich war und eigentlich immer mindestens vier beatmete Patient*innen lagen.
Da in meiner Zeit nur ein anderer internationaler Medizinstudent da war, konnten wir uns frei einteilen. Wir konnten selbst entscheiden, wo wir den Tag verbringen und was wir sehen wollten. Es war gern gesehen, dass man nach der Visite die „Interns“ bei den Blutentnahmen und der anfallenden Arbeit auf der Station unterstützte, es war jedoch kein Muss. Ich habe mir morgens die BGAs und die Blutentnahmen mit den anderen Medizinstudierenden aufgeteilt und später Thoraxdrainagen entfernt, ZVKs gezogen oder Katheter gewechselt. Gegen 10:00 Uhr bzw. 11:00 Uhr bin ich meistens in den „Pit“ oder in den „Resus“ gegangen.
Im „Pit“ hatte man die Möglichkeit, Patient*innen eigenständig zu betreuen und zu behandeln, immer in Absprache mit den „Interns“ oder den „Medical Officer“. Im „Resus“ konnte man die Behandlung von kritischen Patient*innen unterstützen. Dort konnte man lernen, wie man Thorax-Drainagen, Blasenkatheter oder ZVKs legt oder wie man ein eFAST macht – ganz nach der Mentalität: „See one, do one, teach one“! In beiden Bereichen fand man eigentlich auch immer eine Wunde, die genäht werden musste, sodass man auch als Medizinstudierende*r Wunden im Gesicht oder am Hals nähen durfte. Da ich mit einer spanischen Viszeral Chirurgin zusammengewohnt habe, hatte mich diese oft mit in den OP genommen. So konnte ich bei Amputationen mit am Tisch stehen und durfte kleine OPs, wie eine Wundversorgung oder eine Hämatom Ausräumung, unter ihrer Aufsicht selbständig durchführen.
So viel, wie ich im Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg gesehen habe und machen durfte, oft war es ein emotionaler Drahtseilakt! Ich wusste vor meiner Anreise, dass ich dort mit viel Gewalt, einer Masse an Patient*innen und wenig bzw. fehlenden Ressourcen konfrontiert werden würde. Jedoch war es für mich noch überwältigender, als ich wirklich in der Situation vor Ort stand. Gerade die „Trauma-Calls“ am Wochenende (24 Stunden-Dienste) sind im „BARA“ berühmt-berüchtigt! Denn es darf wieder Alkohol verkauft werden und an den Wochenenden, am Ende des Monats, wenn die Menschen ihren Lohn erhalten, eskaliert die Gewalt. Es war eine extreme Erfahrung, wenn Patient*innen im Minutentakt in die Notaufnahme kamen und man nicht mehr wusste, wo bzw. wie die ganzen Menschen behandelt werden sollten. Auch erfahrene, internationale Ärzt*innen sind in diesen Diensten an die persönlichen als auch fachlichen Grenzen gekommen.
Pause auf dem Dach des BARAs in Johannesburg
Mein Fazit
Wenn ich an meine Zeit in Südafrika und am „BARA“ zurückdenke, kann ich sagen, dass ich innerhalb von sechs Wochen noch nie so viel fachlich und über mich selbst gelernt habe! Ich kann Euch einen Aufenthalt am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in Johannesburg wirklich empfehlen.
Am „BARA“ lernt man eher dadurch, dass man ins kalte Wasser geschmissen wird. Für mich war dies aber genau die richtige Erfahrung. Natürlich hatte man Ansprechpartner*innen, mit denen man sich besprach und die einen supervidierten. Jedoch musste man selbständig sein und Sachen für sich einfordern bzw. den Mut haben, Patient*innen eigenständig zu behandeln. Dies war für mich am Beginn, bedingt durch die Sprachbarriere, das unbekannte Gesundheitssystem, die knappen Ressourcen und die fremde Dokumentation bzw. die fremden Abläufe, die größte Herausforderung!
Das ABCDE-Schema, grundlegende Wundversorgung und Umgang/Dosierung von Notfallmedikamenten sind Fähigkeiten, die man dort lernt. Es ist aber besser, sie vorher schonmal gesehen und angewendet zu haben. Im „BARA“ wurde aufgrund der knappen oder nicht auffindbaren Ressourcen bzw. des Zeitdrucks oft vom Standard abgewichen. Deswegen würde ich Euch raten, eher zum Ende des Medizinstudiums einen Aufenthalt an diesem Klinikum zu planen.
Ich möchte mich ganz herzlich bei Herrn Peter Karle für die Unterstützung bedanken!
(Anm. d. Redaktion: Peter Karle, 2010-2023 Chefredakteur der Seite „Medizinernachwuchs“, ab Mai 2023 Chefredakteur der Seite Medizinerlaufbahn.de).
Ich weiß, dass ich irgendwann ans „BARA“ zurückkehren werde!
Kim Lydia Viehmeier
Brandenburg, September 2021