Krankenpflegepraktikum Tansania – Innere Medizin

Tansania, Dar es Salaam, Mwananyamala Regional Hospital (10.08.-10.09.2016)

Einen Teil meines Krankenpflegepraktikums im Medizinstudium hatte ich in Tansania am Mwananyamala Regional Hospital, einem öffentlichen Krankenhaus, in Dar es Salaam in Tansania absolviert. Und nach meiner Erfahrung in diesem afrikanischen Land hatte ich mich entschieden, auch die letzten 30 Tage des Krankenpflegepraktikums im Ausland zu absolvieren, war es doch eine der spannendsten Zeiten, die ich bis dahin erlebt hatte.

Warum Krankenpflegepraktikum im Ausland?

Wer keine Lust hat, sich im patientenfernen Küchendienst ausbeuten zu lassen, der macht sein Krankenpflegepraktikum im Ausland. Die Vorteile liegen auf Hand. Man hat die Chance, Einblicke in ein neues Land oder sogar einen neuen Kontinent zu gewinnen. Nie wird man den Menschen näher sein, als bei der Arbeit im Krankenhaus. Je näher man Menschen ist, desto eindrucksvoller werden auch die Erfahrungen in einem neuen Land sein. Auch ist im Ausland die Institution Krankenpflegepraktikum unbekannt, daher wird man dort eher als Famulant oder sogar PJler wahrgenommen, was einem die Möglichkeit gibt, während des Pflegepraktikums seine medizinischen Fähigkeiten zu verbessern. Zusätzlich sieht man in medizinisch unterentwickelten Ländern Krankheiten und Krankheitsstadien, die einem in Deutschland nur noch selten unterkommen.

So zogen wir, fünf Medizinstudierende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, nach dem 2. Semester für sechs Wochen nach Dar es Salaam an das Mwananyamala Regional Hospital.  Ich hatte bis dahin noch nie etwas von Afrika gesehen und eine leidvolle Erfahrung in einem deutschen Krankenpflegepraktikum gemacht. Von daher war für mich sofort klar, dass ich mir diese Chance nicht entgehen lassen würde.

Vorbereitung und wichtige organisatorische Schritte

Es lohnt sich auf jeden Fall, sich vor dem Krankenpflegepraktikum mit Tropen- und Infektionskrankheiten auseinander zu setzen. Insbesondere HIV, Malaria und TBC sollte man sich einmal anschauen. Eine Blutabnahme sollte man beherrschen, auch Zugänge sollte man legen können. An medizinischer Ausrüstung ist folgendes mitzubringen: Stethoskop, Desinfektionsmittel, für den Notfall eine Packung Handschuhe sowie zwei weiße Kittel. Sehr hilfreich ist auch ein Pulsoxymeter.  Für die Arbeit sollte man luftige und dünne Kleidung mitbringen, da es in Tansania häufig schwül und heiß ist. Die Kleidung wird während des Praktikums auch dreckig werden (Blut, Eiter, Povydon-Iod), deshalb sollte man keine teure Kleidung mitnehmen. Wer in den OP will, muss sich eigene Scrubs mitbringen.

  • Einreisevoraussetzungen

Der legale Weg zu einem Krankenpflegepraktikum in Tansania führte über ein Arbeitsvisum.

(Anm.d.Red: Um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, sollte man sich immer rechtzeitig bei der Botschaft des jeweiligen Landes nach den aktuellen Einreisebestimmungen erkundigen. Hierbei sollte man unbedingt erwähnen, dass man sich nicht zu Urlaubszwecken, sondern zu einer medizinischen Tätigkeit im Rahmen seines Medizinstudiums im betreffenden Land aufhalten wird.)

  • Impfungen

Man sollte sich weiterhin komplett durchimpfen lassen, dafür würde ich ein Tropeninstitut aufsuchen. Je nach Zwischenstopp auf dem Flug nach Dar es Salaam war sogar eine Gelbfieberimpfung für die Einreise nach Tansania vorgeschrieben.

Gewöhnungsbedürftig – der Linksverkehr in Tansania

Erste Eindrücke in Tansania

Man verließ das Flughafengebäude in Dar es Salaam, nachdem man zwei Stunden in einer großen Menschenmenge um einen Einreisestempel kämpfen musste. Direkt danach sollte man ein bisschen Geld abheben, um ein paar Tansanische Schilling in der Tasche zu haben. Für den Weg in die Stadt musste man sich der ersten wichtigen Entscheidung stellen: Will man nur die europäische „Light Version“ oder will man so viel wie möglich von diesem Land mitnehmen? Ich rate zu Letzterem. Deswegen lässt man die penetranten Taxifahrer durch Nichtbeachtung links liegen, sprichwörtlich, denn in Tansania fahren die Menschen auf der falschen Seite, und steigt in ein „Dalla-Dalla“, einen großen völlig überfüllten, 30 Jahre alten Bus aus Asien und lässt sich weiter stadteinwärts bringen. Vorteilhaft war hier auf jeden Fall, wenn man nicht kontaktscheu war und sich ein paar Adressen aufgeschrieben hatte.

Eintauchen in eine andere Welt – der Markt in Kariakoo in Dar es Salaam

Allein über eine Busfahrt in Tansania könnte man einen ganzen Bericht schreiben. Da das aber den Rahmen sprengen würde, fasse ich mich zu den ersten Eindrücken kurz. Zur Tageszeit waren überall Menschen. Unentwegt boten einem Straßenverkäufer Dinge an. Man war als „Weißer“ überall die Attraktion. Entsprechend musste man erst lernen, sich von den Menschen auch mal loszureißen, wenn man auch mal ankommen wollte. Die Menschen waren sehr freundlich und wollten viel über einen wissen. Häufig steckte dahinter jedoch auch die Absicht, einem etwas zu verkaufen oder einen sogar übers Ohr zu hauen. Zum Ende unserer Reise waren wir deshalb skeptisch Menschen gegenüber, die uns auf offener Straße angesprochen hatten.

Das Mwananyamala Regional Hospital

Das Krankenhaus bestand aus einer Ansammlung von Baracken. In zwei Baracken war immer eine Station untergebracht, wobei Stationen noch einmal nach Geschlechtern getrennt waren. In den jeweiligen geschlechterspezifischen Stationen wurde dann häufig noch nach infektiösen und nichtinfektiösen Patient*innen getrennt. Pro Baracke waren 40-50 Patient*innen untergebracht. Im Regelfall mussten sich auf den Erwachsenenstationen zwei Erwachsene ein Bett teilen. Auf der Kinderstation konnten es bis zu fünf Kinder in einem Bett sein. Patiententechnisch sah man hier alles an Krankheiten und Schweregraden, was die Natur zu bieten hatte. Auch starben täglich mehrere Patient*innen auf jeder Station.

Das Mwananyamala Regional Hospital in Dar es Salaam – eine Ansammlung von Baracken

Das Mwananyamala Regional Hospital verfügte über folgende rudimentäre Stationsteilung: Innere Medizin, Chirurgie, Geburt, Gynäkologie, OP-Bereich, Notaufnahme und ein Labor. Es gab auch einen Bereich für Drogenabhängige, von dem man sich fernhalten sollte. Da es sich um ein öffentliches Krankenhaus für Leute ohne Versicherungsschutz handelte, war das Budget des Hospitals klein und die Ausrüstung für europäische Standards mangelhaft. Neben den oben beschriebenen katastrophalen hygienischen Zuständen auf den Stationen gab es keinen funktionierenden Sono im ganzen Krankenhaus. In der Notaufnahme konnte man nicht intubieren.

Anmeldung im Hospital und ein typischer Arbeitstag

Nachdem wir uns von dem langen Flug einen Tag erholt hatten, ging es direkt in das Mwananyamala Regional Hospital. Zu Beginn musste man sich bei der Klinikleitung, dem Clinical Director, vorstellen und eine Gebühr von umgerechnet 100 Euro bezahlen. Danach wurde man durch den Clinical Director rumgeführt und auf den Stationen vorgestellt. Hier sollte man am besten darum bitten, dass einen der Clinical Director schon einmal gegenüber der gewünschten Station genauer vorstellt. Das erleichtert den Einstieg enorm.

Auf Station galt Eigeninitiative! Die Ärzte und „Intern Doctors“ (PJler) sprachen alle Englisch. Bei den Krankenschwestern und Patient*innen wurde es mit Englisch häufig schwieriger; dort musste man sich aber besonders bemühen, um persönlichen Zugang zu seiner Station zu finden. Überhaupt galt es, sich für alle Tätigkeiten anzubieten, viele Fragen zu stellen, Interesse zu zeigen und den Menschen zuzuhören.

Der Tag begann mit der Visite um 8:00 Uhr und endete nach eigener Motivation, feste Arbeitszeiten oder eine Anwesenheitskontrolle gab es nicht. Die Visite führte täglich der leitende Stationsarzt durch. In der Regel war dies ein Facharzt („Specialist“), der dann umringt von „Intern Doctors“ die Runde ging. Dieser Gruppe sollte man sich anschließen. Der Facharzt ließ die „Intern Doctors“ die Fälle vorstellen und fragte sie zu Therapie und Behandlung ab.

Tansanische Schüler und Medizinstudierende waren auf Gehorsam gedrillt und hatten Angst vor diesen Runden. Sie sprachen leise und es war schwierig, die Mischung aus Englisch und „Swahili“ zu verstehen. Hier sollte man durch Fragen auf sich aufmerksam machen und dem Facharzt zu verstehen geben, dass man bereits Medizin studiere und Interesse hätte. Man sollte auf jeden Fall ein paar Lernstunden in „Swahili“ in Dar es Salaam nehmen, um wenigstens angemessen die Leute begrüßen zu können. Begrüßungen spielen in der tansanischen Gesellschaft eine große Rolle und sind je nach Alter und sozialem Status unterschiedlich. Wenn man Patient*innen und auch medizinisches Personal angemessen begrüßt, bringt dies zwischenmenschlich einen großen Vorteil.

Die tansanischen Ärzt*innen hatten ein schlechtes Bild von „weißen“ Medizinstudierenden, da häufig Europäer*innen kamen, die noch nicht angefangen hatten zu studieren („PredMeds“). Viele hatten eine gewisse Urlaubsmentalität, welche die Ärzt*innen sehr schnell wahrnahmen und ablehnten. Soweit es deshalb möglich ist, sollte man die Gruppenbildung mit anderen „Weißen“ vermeiden, um diese Wahrnehmung bei den Ärztinnen und Ärzten nicht aufkommen zu lassen.

Nach der Visite verließ der „Specialist“ häufig die Station und die „Intern Doctors“ übernahmen das Kommando. Man sollte sich mit ihnen unterhalten und fragen, ob man ihnen assistieren darf. Früher oder später durfte man dann auch Dinge alleine machen. Trat man den Ärzt*innen gegenüber bemüht auf und gewann ihr Vertrauen, konnte man zudem in den OP gehen und den Chirurg*innen Fragen stellen oder sogar assistieren.

Zu meinen Aufgaben gehörten: Bestimmung der Vitalparameter, Blutabnahme, das Legen von Zugängen und Kathetern, Desinfektion infizierter und großflächiger Wunden, Débridement von nekrotischem Gewebe, Eröffnung von großflächigen Abszessen und Eiterdrainage, Ligaturen von oberflächlichen Verletzungen und eine Aszitispunktion. Außerdem wurde ich häufig in die Beurteilung von Röntgenbildern und EKGs mit einbezogen.

Zudem hatte ich noch den Schwestern geholfen, was auf Station sehr gut aufgenommen wurde. Gerade unangenehme Arbeiten wie das Einpacken von Leichen bringen große Sympathiepunkte. Eine gute Beziehung zum Pflegepersonal vereinfachte einem den Alltag und überbrückte die Wartezeiten, in denen auch mal nichts zu tun war.

Therapie

In Tansania herrschte eine sehr paternalistische Arzt-Patientenbeziehung. Die Ärzte behandelten meist, ohne den Patienten mit einzubeziehen und aufzuklären. Die Patient*innen in öffentlichen Krankenhäusern waren häufig ungebildet und hatten keine Möglichkeit, sich gegen die Entscheidungen der Ärzte zur Wehr zu setzen oder im Fall eines Behandlungsfehlers Regress zu nehmen. Viele Menschen wehrten sich körperlich und verbal gegen die mit starken Schmerzen verbundene Behandlung. Da es sich um ein öffentliches Krankenhaus handelte und viele Menschen nicht krankenversichert waren, konnten sich viele die notwendigen Schmerzmittel nicht leisten. Hinzu kam, dass durch die gesellschaftliche Ablehnung von Opiaten, der Einsatz von systemisch wirkenden Schmerzmitteln erschwert wurde. Häufig wurde deswegen nur lokal Lidocain angewandt, da dieses Schmerzmittel gut verfügbar war.

Nachdenklich hatten mich auch einige Behandlungen gemacht, bei denen ich „Intern Doctors“ assistiert hatte. An meinem 5. Tag musste ich eine Wunddesinfektion bei einem 14Jährigen durchführen, der sich das Weichteilgewebe großflächig in der Fersenregion bis auf den Knochen abgerissen hatte. Da keine Angehörigen ermittelt werden konnten und deshalb auch niemand die Schmerzmittel bezahlen konnte, mussten wir diese Wunddesinfektion ohne Narkose durchführen.

Ein anderes Ereignis ist mir deshalb in Erinnerung geblieben, weil es die Gewaltbereitschaft und das mangelnde rechtsstaatliche Verständnis der tansanischen Gesellschaft verdeutlichte. In die Notaufnahme kam ein Patient, der von einem wütenden Mob bei einem Diebstahl erwischt worden war. In der Regel schaute die Polizei dem Mob so lange zu, bis der Ertappte fast totgeprügelt war. Erst dann brachten sie den Bezichtigten in ein Hospital.

Leben in Dar es Salaam und reisen in Tansania

Wir haben bei dem Freund einer Kommilitonin gewohnt, daher kann ich über die Übernachtungsmöglichkeiten wenig sagen. In Dar es Salaam sollte man auf jeden Fall den Markt in „Kariakoo“ und die verschiedenen Strände besuchen. Generell sollte man sich nach Einbruch der Dunkelheit nur noch mit Einheimischen durch die Stadt bewegen. Dar es Salaam hatte uns als Stadt nicht gefallen. Es war sehr dreckig und staubig, der Verkehr war extrem und es gab kein wirkliches Zentrum. Schön waren nur die farbenfrohe Kleidung der Menschen und der tansanische Hip-Hop in den „Dalla-Dallas“.

In der Altstadt von Stone Town in Sansibar-Stadt

Wir hatten uns für unsere Zeit nach den 30 Tagen Krankenpflegepraktikum noch eine Reise nach Sansibar gegönnt. Erwähnen möchte ich, dass „Stone Town“, ein Teil der Hauptstadt Sansibar-Stadt, eine wirklich schöne Altstadt hatte und auch wegen seines muslimischen Charakters, das Festland war überwiegend christlich, ganz anders wirkte und deswegen einen Besuch wert ist.

Wer einen günstigen paradiesischen Strandurlaub auf Sansibar machen möchte, dem sei das „Mango Beach House“ in „Jambiani“ empfohlen. Wir sind nie herzlicher in einem Hotel behandelt worden.

Mein Fazit

Das Krankenpflegepraktikum in Tansania war eine der spannendsten Reisen, die ich bis damals unternommen hatte. Ich möchte auf jeden Fall weitere afrikanische Länder bereisen und diesen in den deutschen Medien doch häufig undifferenziert dargestellten Kontinent besser kennen lernen. Eine Erfahrung wie diese kann man in einem deutschen Krankenpflegepraktikum nicht machen.

Sonnenaufgangsstimmung in Jambiani auf Sansibar

Sonnenaufgangsstimmung in Jambiani auf Sansibar

Man hat während des Medizinstudiums in Deutschland kaum wieder die Chance, so ungestört ein fremdes Land kennen zu lernen. Tansania wird bei jedem Medizinstudierenden den eigenen Blick für das Wesentliche schärfen. Nach meiner Erfahrung in Tansania hatte ich mich entschieden, auch die letzten 30 Tage des Krankenpflegepraktikums im Ausland zu absolvieren.

L., C. Berlin, Dezember 2016


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