Die erste Stelle nach dem M3 Examen ist das Sprungbrett in das Arbeitsleben, danach heißt es: „Schwimmen lernen!“ Doch wie erklimmt man überhaupt dieses Sprungbrett? Wie finde ich die richtige Stelle und was tun, wenn Du sie gefunden hast? In den folgenden Zeilen teile ich meine Erfahrungen, wann, warum, wo und wie ich an meine Wunschstelle noch vor dem Absolvieren meines Examens gekommen bin.
Das Ziel: Assistenzarztstelle! Erste Überlegungen, erste Schritte.
Bereits im siebten Semester kristallisierte sich für mich zunehmend die Fachrichtung heraus, auf die ich mich später einmal spezialisieren wollte. Für mich war dies ein großer Vorteil, denn so konnte ich die Zwischenzeit bereits nutzen, mich mit möglichen Kliniken zu beschäftigen, die für mich in Frage kommen könnten. Natürlich gilt dies nicht für jeden. Einige meiner damaligen Kommiliton*innen wussten gar bis zum Ende des Studiums nicht, wo sie danach anfangen wollten.
Ich denke, wir, als Generation junger und angehender Ärztinnen und Ärzte, sollten es wagen uns festzulegen, denn Flexibilität ist auch eine Einschränkung – sie schränkt uns darin ein, einen festen Weg anzutreten. Was wäre so schlimm daran, eine Assistenzarztstelle anzutreten, bei der sich herausstellt, dass es doch nicht dieser Facharzttitel werden soll?
Wir sind eine Generation, in der wir uns vielerorts Stellen aussuchen können, die Krankenhäuser stehen aktuell eher im Wettbewerb um uns als wir um sie! Dies bietet den Vorteil, dass man auch kurzfristig eine neue Stelle beginnen kann, sollte die aktuelle nicht passen. Meine Erfahrung und auch die meiner Freunde ist es, dass sich nach wenigen Wochen und Monaten herausstellt, ob man sich in der aktuellen Stelle und der Fachrichtung wohl fühlt oder sich ein Wechsel empfiehlt. Eine gewisse Bedenkzeit von zwei bis drei Monaten solltest Du Dir hierfür, meines Erachtens nach, nehmen, denn gerade zu Beginn kann die Überforderung noch den Blick auf die tatsächlichen Arbeitsbedingungen vernebeln.
Auch das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen bringt hier wirklich viel. Sie sind gern bereit, Auskünfte zu geben und haben oftmals aufgrund ihrer Erfahrung einen anderen Blick auf die Dinge.
Das passende Fachgebiet, die passende Stelle?!
Und auch wenn sich herausstellen sollte, dass das aktuelle Fach oder die Stelle nicht zu Dir passt, so bist Du um eine Erfahrung weiter. Letzteres ist nicht etwa als leere Plattitüde gemeint, sondern ganz im Ernst. Zickzack-Lebensläufe können, bis zu einem gewissen Grad natürlich, sehr bereichernd und auch durchaus gefragt sein. Was stört also ein halbes Jahr Erfahrung z.B. in der Urologie, wenn man sich später doch für die Nephrologie oder Viszeralchirurgie entscheidet? Gerade bei den chirurgischen Fächern gibt es aufgrund des Common-Trunk-Konzepts in der Weiterbildung einen gewissen Spielraum. Und gerade für diejenigen, die später einmal als Hausarzt arbeiten wollen, sind viele Möglichkeiten offen.
Zwei meiner Freude hatten diesen Weg begonnen und dabei schon eine äußerst interessante Laufbahn hinter sich. Der eine, er war bereits im zweiten Weiterbildungsjahr, konnte ein halbes Jahr in der Anästhesie, der Onkologie, Notaufnahme und aktuell in der Psychiatrie arbeiten. Mein anderer Freund hatte in seinem ersten Jahr bereits den Ernst des Uniklinikalltags auf der Pneumologie kennengelernt und hier auch Nachtdiensterfahrungen gesammelt, zwei Monate Auszeit genommen und danach vorübergehend in der chronischen Schmerztherapie freiberuflich gearbeitet. All diese Erfahrungen nützten den beiden in ihrer Weiterbildung. Allgemeinmedizin ist also die Wildcard unter den Karrierewegen.
Kurz gesagt, Stellen- und auch Fachwechsel sind kein Makel im Lebenslauf. Chefs stellen in Bewerbungsprozessen einen Kader zusammen, wie es Fußballtrainer tun. Ihnen ist es wichtig, dass neben dem fachlichen Interesse auch die persönliche Komponente stimmt. Da wir als Assistenzärztinnen und Assistenzärzte sowieso noch am Anfang unserer Laufbahn stehen, bringen wir auch eine gewisse Formbarkeit mit. Hier gilt es also, seine eigene Geschichte und sein Paket in der Bewerbung bestmöglich zu verkaufen.
Sprungbrett Famulatur, Hospitation und PJ!
Hast Du Dich also gewagt und Dich festgelegt oder kam Dir Dein großer Moment der Erkenntnis, dass Du später mal nur noch Hüften und Schultern verbauen wirst schon auf dem Schulhof in der dritten Klasse, so kannst Du nun den zweiten Schritt angehen: Bringe Dich in Stellung!
Großartige Möglichkeiten dazu waren für mich stets Famulaturen, Hospitationen und natürlich das PJ. Während meines Medizinstudiums suchte ich mir verschiedene Stationen heraus, die mich potenziell reizen könnten. In einer Famulatur lohnt es sich, Kontakte zu Oberärztinnen/Oberärzten und Chefärztinnen/Chefärzten herzustellen und Dein etwaiges Interesse auch ruhig offen zu bekunden. Nur so werden sie sich an Deinen Namen erinnern und vielleicht sogar weiter in Kontakt bleiben wollen.
Morgens auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz am Universitätsklinikum Essen
Ich für meinen Teil dachte immer, ich werde sicher einmal Chirurg und verbrachte hier auch meine ersten Praxiseinsätze. Eine Famulatur, die ich nur absolvierte, weil ich meine Röntgenkenntnisse etwas aufbessern wollte, war es schließlich, die mich vollkommen von der Radiologie überzeugte! Dennoch schaute ich auch noch in die Nuklearmedizin, Gefäßchirurgie und Viszeralchirurgie, doch meine Entscheidung blieb seitdem fest gefasst.
Sollte diese Entscheidung bereits im Studium gefallen sein, so lohnt es sich, einmal die Seiten der Fachgesellschaften zu besuchen. Oftmals gibt es hier Nachwuchsprogramme, die man für sich nutzen kann. Viele Chefärztinnen und Chefärzte empfehlen interessierte Studierende auch gern für Kongressstipendien der Fachgesellschaften oder bieten ihnen eine passende Doktorarbeit an. Beides kann wiederum weitere Türen öffnen und neue Kontakte herstellen. Obendrein kann man als Medizinstudentin/Medizinstudent an vielen internationalen, nationalen oder regionalen Fachkongressen kostenlos teilnehmen. In meinem Fall kam auch noch die Arbeit als Werkstudent in einer der Forschungsgruppen aus der Radiologie hinzu, bei der ich mein Netzwerk noch einmal erweitern konnte!
Meine Bewerbung um eine Assistenzarztstelle!
Mit all diesen Erfahrungen und Kontakten machte ich mich also an Schritt drei – die Bewerbung! Mein zweites PJ-Tertial absolvierte ich in der radiologischen Abteilung einer großen Uniklinik – meiner Wunschstelle! Während des Tertials sprach ich mit verschiedenen Mitarbeiter*innen wie zum Beispiel jungen Assistenzärzt*innen, die ich nach ihrer Zufriedenheit mit der Arbeit befragte, sowie mit vielen der Oberärzt*innen, denen gegenüber ich kommunizierte, dass ich mir gut vorstellen könnte, bei ihnen zu arbeiten. Meine Erfahrung daraus ist: Wer offen kommuniziert, erhält hier auch viel Rückmeldung! Diese Rückmeldung ist gerade deswegen wertvoll, weil sie hilft, für Dich selbst Klarheit zu bekommen und zu erfahren, ob die Stelle zu Dir selbst passt! Sie ist auch deshalb wertvoll, weil sie Dir das Augenmerk der Abteilungsleiter*innen verrät, was für die spätere Bewerbung einen großen Vorteil darstellt.
Später bereitete ich meine Bewerbungsunterlagen vor – meinen Lebenslauf, Bewerbungsfotos und mein Anschreiben. Ein guter Lebenslauf sollte meiner Ansicht nach auch für sich alleinstehen können. Er sollte Deinen bisherigen Weg skizzieren und auch konkrete Aufgaben, Erfahrungen und Erfolge, welche Du bei den verschiedenen Stationen sammeln konntest, beinhalten. In der ersten Bewerbung nach dem Studium sollten auch besondere Famulaturen und die PJ-Tertiale im Lebenslauf nicht fehlen. Es müssen nicht alle aufgezählt werden, jedoch bietet es eventuell auch einen guten Gesprächseinstieg, wenn Du beispielsweise über eine Auslandsfamulatur oder einen besonders prägenden PJ-Abschnitt oder Ähnliches berichten kannst.
Neben diesen Schritten meiner Ausbildung hatte ich auch meine Stellen als Werkstudent aufgeführt, da ich für die letzten drei Jahre meines Medizinstudiums in einem Forschungsinstitut des Klinikums angestellt war und dort bereits meine ersten Publikationen veröffentlichte. Dort fand ich auch meine Doktorarbeit, welche ich mitsamt Titel und Doktorvater aufführte. Gerade an Universitätskliniken ist Forschung sehr gern gesehen und sogar offiziell gefordert.
Auch Preise, Stipendien, wie zum Beispiel ein Auslandsstipendium für einen Auslandsaufenthalt im Rahmen des Studiums, solltest Du unbedingt mit aufführen. Schließlich führte ich noch Fremdsprachenkenntnisse und Mitgliedschaften in Fachgesellschaften auf. Letztere sind für Medizinstudierende und meist auch für Assistenzärzt*innen oftmals kostenlos.
Der wichtigste Teil, das Anschreiben sollte nicht länger als eine DIN A4-Seite sein und Deine Motivation verdeutlichen! Hierbei ist es wichtig, dass keinesfalls der Lebenslauf nur wiederholt wird, sondern dieser, beziehungsweise eine Stelle daraus, als Aufhänger genutzt werden kann. An diesem kann dann die persönliche Geschichte erzählt (!) werden, die dazu geführt hat, dass man sich heute auf diese Stelle bewirbt. Den Faktor „Storytelling“ betone ich gerade deshalb, weil es ein Motivationsschreiben weitaus persönlicher und ansprechender werden lässt. In den letzten Absätzen fokussierte ich mich dann insbesondere auf meine beruflichen Ziele und schloss damit ab, warum es genau diese Abteilung ist, mit welcher ich diese Ziele verwirklichen kann.
Das Vorstellungsgespräch!
Nachdem ich meine Bewerbungsunterlagen im Sekretariat des Chefarztes eingereicht hatte, kam nach etwa vier Tagen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch im PJ in derselben Abteilung war, trug ich an diesem Tag einfach eine Anzughose mit Hemd und zog vor dem Bewerbungsgespräch um 13:00 Uhr noch einen frischen (!) Kittel und eine Krawatte an. Ein wenig Aufregung fühlte ich schon, es war für mich aber beruhigend, mein Anschreiben und den Lebenslauf ausgedruckt in der Kitteltasche dabei zu haben.
Das Bewerbungsgespräch führte ich natürlich mit dem Chefarzt sowie dreien der sechs leitenden Oberärzte. Das Gespräch war äußerst angenehm und diente auch dem weiteren persönlichen Kennenlernen. Alle Teilnehmer hatten mein Anschreiben sowie den Lebenslauf gelesen, stellten ein paar Rückfragen und sprachen mit mir insbesondere über meine persönliche, berufliche Zielsetzung und legten dar, wie genau in dieser Abteilung beispielsweise die Möglichkeiten zur Habilitation oder Förderungsangebote in der Facharztweiterbildung aussehen würden. Nach etwa 20 Minuten verabschiedeten wir uns – nach etwa zwei Stunden hatte ich meine Zusage im Mail-Postfach!
Überglücklich über diese rasche Zusage und diese tolle Aussicht für den Rest meines PJ konnte ich mich ganz auf mein M3 Examen fokussieren.
Mein neuer Arbeitsort – eine Stadt in der Stadt. Das Uniklinikum Essen aus der Vogelperspektive
Für mich war dies der beste Weg. Es fühlte sich für mich sehr stimmig an, so früh eine Perspektive für den weiteren Weg zu haben. Ich sprach aber auch mit einigen meiner damaligen Kommiliton*innen, die sich hierfür mehr Zeit ließen. Auch dieser Weg birgt einige Vorteile und Du solltest Dir zu Anfang Deines Bewerbungsprozesses die Frage stellen, was Dir hierbei wichtig ist. Möchtest Du länger warten, Dir alle Möglichkeiten in Ruhe anschauen, verschiedene Bewerbungsgespräche führen und dann das beste Angebot nehmen oder ist Dir Dein Weg bereits klar?
Mein Fazit
Wie eingangs erwähnt, sind wir in unserer Generation in der glücklichen Lage, uns unter vielen Stellen eine passende auszusuchen. Sicherlich sind manche Kliniken, insbesondere Uniklinika, private oder Spezialkliniken, besonders gefragt und deshalb etwas schwieriger zu bekommen, doch im Großen und Ganzen haben wir die Qual der Wahl.
Ich hoffe sehr, mit diesem Artikel Dir diese Qual etwas erleichtert und Orientierung über den Prozess von der Entscheidung zur „richtigen“ Stelle bis hin zum Vorstellungsgespräch geboten zu haben.
Die erste Stelle als Assistenzärztin/Assistenzarzt nach dem Medizinstudium ist Dein persönlicher Einstieg ins Berufsleben als Ärztin/Arzt – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Tue das, was sich für Dich „am stimmigsten“ anfühlt.
K., L.
Essen, September 2022