Südafrika, Kapstadt, Groote Schuur Hospital (11.09.-05.11.2023)
Zwei Monate meines chirurgischen Tertials verbrachte ich im Trauma Department des renommierten Groote Schuur Hospitals, welches das größte Krankenhaus Kapstadts und eines der größten Südafrikas ist. Meine Zeit im südlichsten Land Afrikas war einmalig und ein hervorragender Mix aus wertvollen Erfahrungen im Trauma Department und großartigen Erlebnissen in und um Kapstadt.
Infos rund die Bewerbung
Beworben hatte ich mich zwei ganze Jahre im Voraus im Elective-Office in Kapstadt. Man sollte sich bewusst sein, dass für ausländische Medizinstudierende Studiengebühren anfallen (ca. 750 €/Monat), welche einige Monate vor Antritt an die Universität überwiesen werden müssen. Der Platz ist zwar schon vorher reserviert, die endgültige Bestätigung über die PJ-Stelle bekommt man aber erst nach getätigter Überweisung. Für zwei Monate ist kein Visum erforderlich. Für ein ganzes Tertial hingegen benötigt man ein „Study-Visum“ (ca. 150 €), welches man – am besten mehrere Monate im Voraus – an der Südafrikanischen Botschaft beantragen muss.
Ich hatte mich bewusst dazu entschieden, allein nach Kapstadt zu reisen und kannte dementsprechend im Vorhinein niemanden vor Ort. Wem es noch so geht und wer vielleicht Zweifel daran hat: Keine Sorge, es ist super einfach und unkompliziert Anschluss zu finden. Spätestens bei der Einführungsveranstaltung am ersten offiziellen PJ-Tag im Barnard Fuller Building der University of Cape Town lernt ihr viele weitere, überwiegend deutsche, PJ-Studierende kennen.
Mein PJ-Abschnitt in der Traumatologie am Groote Schuur Hospital
In meinen zwei Monaten in der (unfall-)chirurgischen Notaufnahme, die von sogenannten „Trauma Surgeons“ geleitet wird, habe ich viel sehen und selbst machen können. Das Spektrum an Verletzungen war immens: Verkehrsunfälle, Körperverletzungen und Handgreiflichkeiten, viele Schuss- und Messerstichverletzungen, Bandenkriminalität, aber auch Arbeitsunfälle oder Wundkontrollen. Im Gegensatz zu europäischen Kliniken dominieren in Kapstadt Stich- und Schussverletzungen die schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Verletzungen. Es vergeht praktisch kein Tag ohne eines dieser Verletzungsmuster. Auch sieht man in seiner Zeit vor Ort viele Menschen sterben oder bereits tot in die Notaufnahme ankommend – dead on arrival („DOA“).
Die Trauma Unit „C14“ am Groote Schuur Hospital ist in drei Bereiche gegliedert, nämlich in grün (leichte Verletzungen), gelb/orange (schwerere Verletzungen) und rot („Resus“, lebensbedrohliche Verletzungen) triagierte Patient*innen. Die Abteilung „Resus“ (engl. für „Resuscitation“) ist dabei in etwa vergleichbar mit einem Schockraum, jedoch mit ungefähr zehn Bettenplätzen mit Beatmungsmöglichkeiten. Man arbeitete meist in dem Bereich mit, in welchem man am dringendsten benötigt wurde. Die „Trauma Surgeons“ stabilisierten die Patient*innen, führten lebensrettende Laparotomien durch, operierten frakturierte Knochen, legten Thoraxdrainagen und intubierten sogar selbst Patient*innen. Einen Anästhesisten oder Allgemeinchirurgen, wie man es aus den meisten Ländern Europas kennt, benötigten sie hierfür selten.
Das berühmte Groote Schuur Hospital in Kapstadt am Fuße des Devil’s Peak
Zeigte man sich motiviert und interessiert, wurde man schnell Teil des ärztlichen Teams und durfte viele Tätigkeiten eigenständig durchführen. Dazu zählten: Zugänge legen („drips“), eigenständiges Betäuben und Nähen diverser Verletzungen, insbesondere viele Stichwunden, Entfernung von Schusswaffenprojektilen („bullets“) aus dem Körper, eigene Patientenaufnahmen, arterielle Blutentnahmen („ABGs“) am Handgelenk und in der Leiste, Versorgung von Verbrennungsopfern, Blasenkatheter legen und mit etwas Glück auch das selbstständige Legen einer Thoraxdrainage („ICD“).
Empfehlenswert finde ich, Nachtschichten zu machen, da hier, insbesondere an Wochenenden, ein höheres Patientenaufkommen war und insgesamt weniger Studierende vor Ort waren. Heißt, ihr könnt viel mit anpacken!
Für die eigene Sicherheit kann man im OP eine Schutzbrille gegen Blutspritzer tragen, da Südafrikas HIV-Prävalenz sehr hoch ist. Venenstauschlauch und Schere sind auch sehr nützlich. Kasak und Hose für die Arbeit in der Klinik sollte man am besten selbst mitbringen, OP-Kleidung gibt es vor Ort.
Das Groote Schuur Hospital in Kapstadt
Mit der Auswahl des Groote Schuur Hospital (GSH) war ich sehr zufrieden. Das GSH als gewisses Aushängeschild Kapstadts bzw. Südafrikas ist ein Krankenhaus mit hohen internationalen Standards. Es genießt weltweit einen sehr guten Ruf, ist westlich eingerichtet und ziemlich gut ausgestattet. Ins GSH werden meist die schwerwiegenden Verletzungen eingeliefert, da hier die besten Versorgungsstrukturen der Region für die Patientenversorgung vorliegen. Das Groote Schuur Hospital ist eines der wenigen Krankenhäuser Kapstadts mit eigenen Computertomographen.
Demgegenüber ist die Gewährleistung der Erstversorgung vieler Verletzungen noch mehr Domäne der umliegenden Kliniken, wie dem Mitchells Plain Hospital oder dem Khayelitsha Hospital. Dort ist man noch mehr an der primären Versorgung von Schuss- und Stichverletzungen beteiligt, als es im GSH der Fall ist. Aber auch im Groote Schuur Hospital sieht man etliche Opfer von Kriminalität und Gewalt. In der Notaufnahme des Mitchells Plain Hospital beispielsweise arbeitet man als Studentin/Student meist noch selbstständiger. Allerdings hat man dort auch ein anstrengendes Schichtsystem mit langen Schichten und arbeitet oft zeitversetzt zu den anderen PJ-Studenten.
Wohnen in Kapstadt
Unterkünfte vom Hospital oder der University of Cape Town für die Zeit des Aufenthaltes wurden nicht gestellt. Ich habe in einer Achter-Wohngemeinschaft in Observatory (34 Lower Main Road, Bowden House) gewohnt, von der aus das Groote Schuur Hospital tagsüber fußläufig erreichbar war. Das Viertel „Observatory“ ist Wohnort vieler Studierender und hat etliche Restaurants, Cafés, Bars und Secondhand-Shops. Auch die „3 Park Villa Road“, 150 m vom „Bowden House“ entfernt, ist eine gute und preisgünstige Wohnadresse. Viele PJ-Studierende leben in der ebenfalls nahe gelegenen „Freeland Lodge“, welche jedoch verhältnismäßig teuer ist.
Leben in Kapstadt und Sicherheitsaspekte
In Südafrika gibt es das sogenannte „Loadshedding“. Der Strom fällt dann meist täglich kontrolliert für mehrere Stunden aus. Es gibt eine App (ESP), in welcher die genauen Stromabschaltzeiten aufgelistet sind. Ich persönlich habe das Loadshedding jedoch als nicht sehr einschränkend empfunden.
Sich ein Auto zu mieten, ist sicherlich praktisch, aber kein Muss. Wer sich für ein eigenes Auto entscheidet, dem kann ich „Ulf Car Rental“, „Richie’s Rentals Car Hire“ oder „Rentacheapie Car Hire“ empfehlen. Ich selbst hatte in meiner Zeit keinen eigenen Mietwagen. Mit „Uber“ kommt man sehr zuverlässig, sicher und als Gruppe auch für weiter entfernt gelegene Ziele, z.B. dem Kap der Guten Hoffnung relativ günstig von A nach B. Ein weiterer Vorteil: Mit „Uber“ spart man sich die Parkplatzsuche.
Blick vom Lion’s Head auf die malerische Bergkette des Tafelbergs in Kapstadt
Es ist wichtig, sich in Südafrika an gewisse Grundregeln zu halten. Selbst tagsüber im Hellen sollte man nur in sicheren Gegenden laufen, nachts nicht (allein) draußen herumlaufen, stattdessen zum Beispiel lieber „Uber“ fahren, nie Wertsachen oder sonstige Gegenstände sichtbar im Auto liegen lassen und auf der Straße Wertgegenstände nicht offen herumtragen. Allgemein sollte man einfach etwas wachsam sein. Leider ist die Kriminalitätsrate in Kapstadt sehr hoch. Vor Ort fühlte ich mich oft deutlich weniger frei, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Lasst Euch davon aber bitte nicht abschrecken.
Auch ich hatte Zweifel vor meinem Aufenthalt, passiert ist mir und meinen Freunden letztendlich nichts. Geschichten von bewaffneten Überfällen mit Schusswaffen oder Messer hört man aber leider doch immer wieder. Zur Klinik bin ich tagsüber immer gelaufen, manchmal allein, meistens jedoch zu zweit. In Gesellschaft habe ich mich dabei wesentlich wohler und sicherer gefühlt. Je nachdem, wen man fragt, hört man sehr Unterschiedliches zur Sicherheit. Am besten, Du machst Dir ein eigenes Bild vor Ort. Ich finde, man bekommt mit der Zeit ein gutes Gespür dafür, was möglich ist und was man besser unterlassen sollte. Die meisten Menschen in Kapstadt sind allerdings ausgesprochen freundlich, hilfsbereit und offen.
Südafrika und sein hoher Freizeitwert
Kapstadt, die „Mother City“ Südafrikas besitzt einen Freizeitwert wie kaum eine andere Stadt auf der Welt und hat so ziemlich alles zu bieten, was man sich nur vorstellen kann. Wir waren oft Wellensurfen am „Muizenberg Beach“ – ich habe es geliebt! Ein Vorteil in „Muizenberg“ ist unter anderem die Anwesenheit der „shark spotter“ und dass der weitläufige Strand super geeignet ist für Anfänger und Fortgeschrittene. Wer einen eigenen Neoprenanzug besitzt und öfter surfen gehen möchte, dem empfehle ich, diesen einzupacken. Dadurch wird das Surferlebnis sehr preiswert – ca. 5 € für eine ausgiebige Surf-Session. Um Kapstadt herum gibt es noch eine ganze Reihe weiterer guter Surfstrände – so z.B. „Big Bay“, „Kommetjie“, „Llandudno“, „Sunset Beach“ und viele mehr. Dafür braucht Ihr allerdings ein eigenes Surfboard und einen Mietwagen.
Blick vom Silvermine Nature Reserve auf die Hout Bay und Chapman’s Peak in Südafrika
Natürlich waren wir während unserer Zeit auch viel wandern: „Lion’s Head“, „Table Mountain“, „Devil’s Peak“, „Silvermine Nature Reserve“, aber auch auf der Garden Route. Eines meiner absoluten Highlights war eine Zwei-Tages-Wanderung mit Übernachtung in einer abgelegenen Selbstversorgerhütte am malerischen Kap der Guten Hoffnung. Beim Wandern sollte man generell immer auf den Weg achten. Wir sind in unserer Zeit sowohl der gefährlichen Puffotter als auch der Bergotter begegnet.
Für die „Garden Route“ hatten wir uns zu viert einen Mietwagen ausgeliehen und sind in einigen Tagen von Kapstadt nach Port Elizabeth und zurück an der Südküste Südafrikas entlanggefahren. Wirklich lohnenswert! Neben schönen Wanderungen haben wir unter anderem Wale, Elefanten im „Addo Elephant National Park“, Zebras oder Büffel bewundern können.
Ebenfalls empfehlenswert sind die „Wine Tram“ in „Franschhoek“ und Mountainbiken in und um „Stellenbosch“. Sicher auch faszinierend ist eine Safari im „Kruger Nationalpark“, welche wir leider zeitlich nicht geschafft haben. Hierfür muss man fast zwangsläufig einen Inlandsflug in Kauf nehmen. Außerdem sollen die „Drakensberge“ oder die „Cederberge“ sehr schön sein.
Selbstversorger-Übernachtungshütte am Kap der Guten Hoffnung in Südafrika bei Abendlicht.
Ein cooler Zufall während meines Aufenthaltes war, dass zeitgleich die Rugby-WM in Frankreich stattfand. So erfuhren wir knapp zwei Monate lang hautnah die Begeisterung der südafrikanischen Bevölkerung für ihren Nationalsport. Beim Public Viewing Ende Oktober an der berühmten „V&A Waterfront“ in Kapstadt durften wir dann sogar miterleben, wie die „Springboks“ Weltmeister und alleiniger Rekordhalter wurden.
Das Leben in Kapstadt ist für Europäer zudem verhältnismäßig günstig. Man kann vielerorts lecker und für wenig Geld essen gehen.
Mein Fazit
Zusammenfassend durfte ich in meiner zweimonatigen Zeit in Kapstadt unglaublich viele wertvolle Erfahrungen sammeln, wundervolle und spannende Dinge sehen, erleben oder gar selbst machen – und zwar sowohl am Groote Schuur Hospital, aber auch in meiner Freizeit. Durch den Aufenthalt bin ich definitiv eigenständiger und verantwortungsvoller geworden!
Das größte Manko war in meinen Augen der Kriminalitätsaspekt und die damit verbundenen Einschränkungen und Risiken. Für mich persönlich stellte diese Tatsache aber gleichzeitig eine aufregende und durchaus wertvolle Erfahrung dar. Für ein dauerhaftes Leben in Kapstadt würde ich die Einschränkungen durch die doch recht hohe Kriminalitätsrate jedoch als zu stark empfinden. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, als Arzt für ein halbes oder ganzes Jahr nochmal nach Kapstadt zum Arbeiten, Lernen, Reisen und Surfen zu kommen.
Beeindruckendes Erlebnis – Elefant im Addo Elephant National Park in Südafrika
Ein halbes PJ-Tertial war für mich persönlich ausreichend, um einen guten Eindruck vom Land, der Stadt und dem Krankenhausalltag zu erhalten und um viele Highlights zu erleben. Ein ganzes PJ-Tertial im südafrikanischen Frühling und Sommer ist jedoch sicherlich auch nicht verkehrt. Ich denke, dass beides eine sehr gute Idee ist. Ich würde jederzeit wieder einen Teil meines Praktischen Jahres in Kapstadt absolvieren! Die Zeit dort unten war definitiv das Geld, den Aufwand und die Risiken wert.
Einen Teil seiner medizinischen Ausbildung im Ausland zu verbringen, kann ich generell nur jedem sehr empfehlen!
B., D.
Würzburg, November 2023