Südafrika, Johannesburg, Chris Hani Baragwanath Academic Hospital (03.02.-10.03.2024)
Famulatur in der Traumatologie am Chris Hani Baragwanath Academic Hospital der University of the Witwatersrand in Johannesburg. Müsste ich meine Zeit in Südafrika bewerten, würde ich 10 von 10 Punkten vergeben! Denn von der Arbeit, über die Unterbringung, den Bekanntschaften bis hin zu den Freizeitaktivitäten hat wirklich alles gepasst!
Motivation und persönliche Empfehlung
Zu Beginn möchte ich etwas zu Auslandsaufenthalten im Rahmen des Medizinstudiums im Allgemeinen loswerden. Generell kann ich jeder/jedem Medizinstudierenden empfehlen, die/der bereit ist, ihre/seine Komfortzone zu verlassen, Famulaturen und PJ-Abschnitte im Ausland zu absolvieren. Zu den Gründen hierfür zählen natürlich das Kennenlernen anderer Kulturen, Menschen und Gesundheitssysteme, die Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie das Verbessern der Fremdsprache. All dies sind Bereicherungen, die ich nicht missen möchte. Wenn Euch diese Argumente noch nicht überzeugen, sollte eine Sache jedoch letztendlich den Ausschlag für die Entscheidung geben – und zwar, dass Ihr Euch einfach eine super Zeit machen könnt. Gerade wenn es auf das Ende des Studiums zugeht und man langsam realisiert, wie der zukünftige Alltag im Arbeitsleben aussehen wird, sollte man diese Chance nutzen, solange man sie noch hat.
Ende eines aufregenden Tages im Rettungsdienst in Johannesburg – Südafrika
Ich verstehe, dass der Bewerbungsprozess mit allem, was dazu gehört, abschreckt. Im Kostenpunkt schneidet Südafrika im englischsprachigen Überseevergleich jedoch gut ab, da sowohl die Studiengebühren als auch die Kosten vor Ort nicht allzu hoch sind. Und immerhin muss man vor Beginn der Famulatur mittlerweile nicht mehr nach Pretoria fahren, um sich beim Health Professions Council of South Africa zu registrieren. Ein Visum braucht man als deutsche/r Staatsbürger*in zum jetzigen Zeitpunkt (März 2024) bei einem Aufenthalt von unter 90 Tagen ebenfalls nicht.
(Anm. d. Red: Um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, sollte man sich immer rechtzeitig bei der Botschaft des jeweiligen Landes nach den aktuellen Einreisebestimmungen erkundigen. Hierbei sollte man unbedingt erwähnen, dass man sich nicht zu Urlaubszwecken, sondern zu einer medizinischen Tätigkeit im Rahmen seines Medizinstudiums im betreffenden Land aufhalten wird.)
Meine Famulatur in der Traumatologie am „BARA“ in Südafrika
Das Wichtigste zuerst: Schützt Euch selbst! Eigenschutz ist eine der wenigen Aufgaben, die niemand anders für Euch übernehmen kann. Bei derart hohen Prävalenzen von Infektionskrankheiten ist besondere Vorsicht geboten. Ich empfehle in diesem Zusammenhang auch den Besuch bei einer/einem Reisemediziner*in. Dieser sollte im besten Fall mindestens 1-2 Monate vor Reisebeginn stattfinden, um ausreichend Zeit für alle obligatorischen und fakultativen Impfungen zu haben.
Ich kann mit Gewissheit sagen, dass die vergangenen fünf Wochen die aufregendsten meines Lebens waren. Jede/r Notfallmedizin-Begeisterte kommt bei der Arbeit im Chris Hani Baragwanath Academic Hospital, genannt „BARA“, der University of the Witwatersrand in Johannesburg, auf seine Kosten. Dabei ist es aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig, bereits vor Beginn der Famulatur tiefgreifendes notfallmedizinisches Wissen und Können aufzuweisen. Dennoch empfehle ich die Famulatur zum Ende des Studiums.
Chirurgische Wundversorgung als eine der Haupttätigkeiten in der Trauma Unit
Grund dafür ist, dass man mit mehr Skills auch mehr helfen kann, sich gleichzeitig mehr zutraut und alle Beteiligten im Endeffekt mehr von der Zusammenarbeit haben. Dabei ist es wichtig, mit einer gewissen Selbstsicherheit zu arbeiten, sich gleichzeitig jedoch nicht zu übernehmen. So bekommt man z.B. die Gelegenheit, ZVKs und Thoraxdrainagen zu legen, Intubationen durchzuführen sowie bei Reanimationen mitzuhelfen und im OP zu assistieren. Im Vordergrund der Tätigkeiten stehen jedoch die körperliche Untersuchung von Notfallpatient*innen, E-FAST-Untersuchungen, Röntgen Befundung, die chirurgische Wundversorgung sowie das Legen von Zugängen, Magensonden und Blasenkathetern. Gutes, medizinbezogenes Englisch ist außerdem definitiv von Vorteil.
Man sollte sich bei der Entscheidung, ans „BARA“ zu gehen, im Klaren darüber sein, womit man es zu tun bekommen wird. Über 95 Prozent der „Resus-Patient*innen“ (Resuscitation = Schockraum) sind junge Männer – meist mit Stich-, Schuss- oder Brandverletzungen, Einwirkungen stumpfer Gewalt und Polytraumata durch Verkehrsunfälle. Zudem arbeitet man zwangsläufig unter Bedingungen, die in Deutschland nicht akzeptabel wären. Als erstes denkt man da womöglich an die mangelnde Hygiene, mit deren Folgen man in der Trauma Unit nicht immer direkt konfrontiert wird. Schaut man jedoch mal auf die Stationen oder in den OP und sieht die Anzahl der septischen Patient*innen, wird einem schnell klar, dass Hygiene im „BARA“ eine große Rolle spielen sollte.
Anfangs erscheint einem das Nähen von Wunden ohne sterile Unterlage womöglich utopisch. Die Gewöhnung an die Bedingungen, das „Abhärten“ und das Abschauen beim einheimischen Personal geschehen jedoch erschreckend schnell, was zu mangelhafter Patientenversorgung führt. Zum einen sind die Ressourcen natürlich begrenzt. Daher muss man abwägen, ob für eine kleine oberflächliche Wunde tatsächlich ein steriles Naht-Set geöffnet werden muss oder ob vielleicht ein paar Kompressen, eine große Nadel, die ohne Nadelhalter bedient werden kann, und eine sterile Klinge ausreichen.
Zum anderen wird es in der Trauma Unit des „BARA“ häufiger mal chaotisch. In diesen Situationen kommt es dazu, dass instabilen Patient*innen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als stabilen. Die Ärzt*innen geraten somit immer wieder in die Zwickmühle und fertigen nicht lebensbedrohte Patient*innen schnell, nicht adäquat und unsauber ab, weil sie nicht viel Zeit haben. Als Studierende/r kann und sollte man sich diese Zeit jedoch immer nehmen. Somit können schwerwiegende Fehler verhindert und, unter den nicht optimalen Umständen, eine bestmögliche Patientenversorgung gewährleistet werden. Übrigens lässt die Sauberkeit nicht nur im unmittelbaren Arbeitsumfeld zu wünschen übrig, sodass man sich im Aufenthaltsraum des „BARA“ schnell mit verschiedensten Kakerlaken Arten anfreunden kann.
Glück im Unglück – Die Tibia blieb unversehrt vom Projektil
Ich empfand das Umfeld im Hospital immer als geschützten Raum, der von nahezu allen Menschen respektiert wurde. Ein Mal kam es zu einem Vorfall, bei dem bewaffnete Männer die Klinik betraten. Zunächst brach Panik aus. Es stellte sich jedoch recht schnell heraus, dass die besagten Männer nur einige Verletzte zur Versorgung ins Krankenhaus brachten und sich niemand bedroht fühlen musste. Womöglich waren sie zuvor in eine Schießerei verwickelt und deshalb noch bewaffnet.
Die Medizinstudierenden arbeiteten im Zwei-Schicht-Rhythmus. Der Tagdienst begann um 7:00 Uhr und endete meist nachmittags, spätestens jedoch um 19:00 Uhr. Der Nachtdienst begann um 19:00 Uhr und endete in ruhigen Nächten in den frühen Morgenstunden, spätestens jedoch gegen 8:00 Uhr. Generell empfehle ich, den ersten Dienst unter der Woche zu absolvieren, um das Haus und die Abläufe kennenzulernen. Anschließend sind die Wochenenden interessanter, da man mehr gefordert und dringender gebraucht wird. In der Regel stimmten sich die internationalen Medizinstudierenden untereinander ab, wer welche Schichten abdeckte. Das eigene Arbeitspensum konnte man demnach etwas mitbestimmen. Es hing jedoch auch davon ab, wie viele Studierende im jeweiligen Zeitraum zur Verfügung standen. Wir waren zeitweise recht viele, sodass einige von uns auch mal ein langes Wochenende freinehmen konnten.
Freizeitaktivitäten in Südafrika
Über dieses besagte Wochenende fuhren wir in den „Kruger Nationalpark“, welcher ca. 6h Autofahrt von Johannesburg entfernt ist. Auf dem Weg dorthin sollte man unbedingt einen Stopp am „Blyde River Canyon“ einlegen. Etwas näher gelegen ist der „Pilanesberg Nationalpark“, der dem „Kruger Nationalpark“ in nichts außer der Größe nachsteht. Einen der Parks zu besuchen, ist ein absolutes Muss. In Johannesburg selbst gibt es außer dem „Apartheid-Museum“ und dem „Constitution Hill“, dem ehemaligen Gefängnis, in dem u. a. Nelson Mandela untergebracht war, nicht allzu viel zu sehen.
Atemberaubend – Der Blyde River Canyon in Südafrika
Weitere freie Tage würde ich eher verwenden, um die „Drakensberge“ zu besuchen, die in ca. 4h Autofahrt zu erreichen sind. Dort kann man auf wunderschönen Wanderrouten die Natur bestaunen. Das Highlight dieses Trips war der Aufstieg zum „Cathedral Peak“, dicht gefolgt vom Sternenhimmel, bei dem wir in zwei Stunden ca. 20 Sternschnuppen beobachteten. Eine super Unterbringung in den „Drakensbergen“ ist die „Amphitheatre Backpackers Lodge“. Wenn man zwei Wochen oder mehr Zeit zum Reisen hat, ist die „Garden Route“ inkl. Kapstadt eine tolle Option. Die beste Reisezeit für Südafrika sind sicherlich die deutschen Wintermonate.
Elefantenfamilie im Pilanesberg Nationalpark in Südafrika
Wohnen in Johannesburg und persönliche Tipps
Gewohnt habe ich, wie die meisten internationalen Ärzt*innen und Medizinstudierenden bei Christine Loukakis. Dort hat jede/r Bewohner*in ein eigenes Zimmer und teilweise ein eigenes Bad sowie eine kleine Küche. Für richtiges Kochen stehen die großen Gemeinschaftsküchen zur Verfügung. Das Wohnen bei Christine hat viele Vorzüge. Sie hilft bspw. bei der Planung von Ausflügen, bei der Organisation eines Mietwagens und stellt SIM-Karten zur Verfügung. Hier sei jedoch anzumerken, dass sich eine kritische Betrachtung der Preise immer lohnt, sodass es manchmal günstiger ist, Dinge auf eigene Faust zu buchen. Über Christines Kontakte erhält man auch die Möglichkeit, Dienste im Helikopter sowie im Rettungsdienst zu absolvieren. Weiterhin muss man sich nicht selbst um das Putzen, Wäsche waschen oder Abspülen kümmern, denn dafür gibt es Personal. Ein kleines Gym und ein Pool sind ebenfalls auf dem Grundstück vorhanden.
Arbeitskleidung gibt es durch die vielen vorherigen Bewohner*innen der letzten Jahre bei Christine in allen Farben und Größen. Sinnvolle Utensilien, die man von zu Hause mitbringen sollte, sind: Bauchtasche, Schutzbrille, Kleiderschere, Stauschlauch, Tape, Kopflampe, Stethoskop. Das Beste an der Unterbringung bei Christine ist allerdings, dass die Arbeitskolleg*innen gleichzeitig direkte Nachbar*innen sind, mit denen man sich ständig austauschen, aber auch viel in der Freizeit unternehmen kann. So waren wir häufig zusammen Abendessen, Beachvolleyball spielen oder auch mal feiern. Eine der wenigen Aktivitäten, die man in Johannesburg fußläufig ausüben kann, ist das „Klipriviersberg Nature Reserve“. Dies ist ein 15 Minuten von Christines Unterkunft entferntes Naturschutzgebiet, in dem man spazieren, abschalten und Antilopen und Zebras beobachten kann. Der Eintritt ist frei.
Mein Fazit
Müsste ich meine Zeit in Südafrika bewerten, würde ich 10 von 10 Punkten vergeben! Denn von der Arbeit, über die Unterbringung, den Bekanntschaften bis hin zu den Freizeitaktivitäten hat wirklich alles gepasst!
Einzigartige Sonnenuntergänge in Südafrika
H., L.
Frankfurt am Main, März 2024
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