Etwa ein Drittel der Ärztinnen/Ärzte in der Schweiz haben ihre Approbation im Ausland erhalten. Mit über 19 Prozent stellen die deutschen Ärztinnen und Ärzte die große Mehrheit dieser Gruppe (Stand 2020, Quelle: FMH). Im Jahr 2021 haben 1.118 Medizinstudierende in der Schweiz ihr Diplom erhalten, immer noch sind dies zu wenige, als dass das Land seinen eigenen Bedarf an ärztlichem Nachwuchs decken könnte (Quelle: BAG).
Gute Karten also, um sich als Medizinstudentin/Medizinstudent oder Assistenzärztin/Assistenzarzt aus Deutschland auf eine Stelle in der Schweiz zu bewerben. Allerdings ist der Bedarf nicht überall gleich hoch, was natürlich Auswirkungen auf die eigenen Chancen bei der Bewerbung hat. Ein Spaziergang ist es sicherlich nicht. Um eine Stelle als Assistenzärztin/Assistenzarzt zu bekommen, sollte man sich mit den Regeln, Gepflogenheiten und den einen oder anderen Kniffen vertraut machen, welche die eigenen Chancen erhöhen.
Zur Ausgangslage
Das Weiterbildungssystem der Schweiz ist sehr beliebt und die Zufriedenheit mit der Weiterbildungsqualität im Allgemeinen auch sehr gut. Die SIWF, das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung, präsentiert dazu sehr transparent die Umfrageergebnisse unter den Assistenzärzt*innen. Grundsätzlich wird in der Schweizer Weiterbildung nach einem Anforderungskatalog vorgegangen, in dem konkrete Leistungen mit Fallzahlen aufgeführt sind, den ein Weiterbildungsassistent durchlaufen soll. Während der Facharztausbildung kann eine bestimmte Zeit in einem „C-Spital“, ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung, einem „B“- und einem „A-Spital“ verbracht werden. Letztere entsprechen einem Haus der Maximalversorgung, zumeist ein Universitäts- oder Kantonsspital. Der Bewerberdruck auf die „A-Spitäler“ ist also besonders groß, da alle Assistenzärzt*innen, die auch in der Schweiz ihre Facharztprüfung ablegen wollen, auch in einem „A-Spital“ gearbeitet haben müssen.
Das Alpenland lässt sich seine hohe Qualität der Gesundheitsversorgung einiges kosten und so kommt es, dass es in vielen Orten auch zumindest ein kleines Spital gibt. Aufgrund des Krankenversicherungssystems ist es so, dass Versicherte nicht ohne besondere Gründe in einem anderen Kanton als ihrem Wohnkanton behandelt werden. Deswegen wird so mancher Patient auch mal von Langenthal im nördlichen Kanton Bern bis nach Bern transportiert, statt im nur halb so weit entfernten Kantonsspital Solothurn behandelt zu werden. Außerdem ähnelt das Schweizer Gesundheitssystem eher der deutschen privaten Krankenversicherung mit dem Unterschied, dass alle Patient*innen privat versichert sind und ihr eigenes Paket zusammenstellen können. Hierbei können sie auch ihren Grad an Zuzahlung und Leistungen selbst bestimmen.
Überlegungen zur Wunschstelle als Assistenzärztin/Assistenzarzt
Bevor es also an die Bewerbung geht, solltest Du Dich fragen, was Du Dir überhaupt von Deiner Wunschstelle erhoffst. Möchtest Du später eher in Deiner oder einer Hausarztpraxis arbeiten oder willst Du die Karriere als Professorin/Professor an der Uniklinik? Sollte Ersteres der Fall sein, kann es durchaus sinnvoll sein, sich zunächst an einem „C-Spital“ zu bewerben, an welchem der Bedarf an Assistenzärzt*innen sehr hoch ist. Dort kann man bereits viel lernen, bekommt einen breiten Überblick und kann unter direkter Betreuung von den erfahrenen „Kaderärzt*innen“ lernen. Hat man dann einen Fuß in der Tür und Arbeitserfahrung gesammelt, wird der Schritt zum „A“- oder „B-Spital“ leichter fallen.
Wenn Du hingegen eine wissenschaftliche Karriere anstrebst, muss es ein Unispital sein, maximal ein Kantonsspital ist als Alternative möglich. Es kann hilfreich sein, dass Du Dich einmal auf der Internetseite verschiedener Spitäler durch die Mitarbeiter klickst und Dir den Lebenslauf der Chef- und Oberärzt*innen ansiehst. Viele Spitäler haben die CV der „Kaderärzt*innen“ nämlich aufgeführt. So bekommst Du ein Gefühl dafür, wie andere zu ihrer jetzigen Position gekommen sind, was inspirierend sein kann.
Das Bewerbungsschreiben
Allgemein stellen die Schweizer eher kurzfristig oder aber sehr langfristig ein. Das liegt an der eben beschriebenen Situation, dass einige Spitäler einen starken Bewerberzulauf verzeichnen und sie aufgrund ihrer Größe in der Lage sind, die Stellen bereits weit in die Zukunft hinaus zu planen. Jedoch kommt es durch Kündigungen seitens der Assistenzärzt*innen auch zu kurzfristigem Bedarf. Gerade an „C“- oder „B-Spitälern“ ist dies allein schon wegen der Weiterbildungsrichtlinien unvermeidbar. So werden immer auch einige Stellen kurzfristig vergeben, was Du zu Deinem Vorteil nutzen kannst, wenn Du etwas Flexibilität mitbringst. So hat eine Freundin beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass sie mit einer Initiativbewerbung erst in einem Jahr eine Stelle angeboten bekommen hat, da sie zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung noch im Studium war.
Es empfiehlt sich sehr, seine Bewerbung auf einen Stellenantritt in einem Jahr hin zu planen. Nach meiner Erfahrung ist dies der Zeitraum, in welchem die großen Spitäler ihre Stellen neu planen. In Deinem Bewerbungsschreiben solltest Du unbedingt darstellen, wieso Du Dich gerade für dieses Spital interessierst.
Meine eigenen Bewerbungsschreiben habe ich wie folgt strukturiert:
- Einleitung: Wer bin ich und wann will ich in welcher Stelle anfangen? Was interessiert mich an Spital X?
- Was reizt mich an der Fachrichtung X? Was motivierte mich schon im Studium, mich zu diesem Fach zu entwickeln?
- Welche Fähigkeiten und welche Erfahrungen bringe ich mit? (Erfahrungen aus Famulaturen, PJ, SHK-Stellen, Doktorand)
- Meine Motivation: Wohin will ich mich entwickeln – z.B. in 10 Jahren? Evtl. Forschungsbereiche, die ich an diesem Spital bearbeiten will, Schwerpunkte des Spitals, die zu mir passen, bereits bestehende Kontakte zum Team, etc.
- Warum die Schweiz? Verbindungen zum Land? Evtl. langfristige Pläne, dort zu bleiben?
- Abschließend zusammenfassen der zwei bis drei Hauptargumente → Wunsch auf ein persönliches Kennenlernen im Vorstellungsgespräch.
Nach diesem Prinzip kannst Du Deine Schablone für ein aussagekräftiges Bewerbungsschreiben strukturieren. Wiederhole im Anschreiben nicht Deinen Lebenslauf, sondern lege den Fokus klar auf Deine Motivation. Halte Dich prägnant und verfasse das Schreiben nicht länger als eine DIN A4-Seite. So verschonst Du Deine Adressaten vor einem unerwünschten Roman und behältst Dir auch noch spannende Aspekte über Dich, welche Du im Gespräch vertiefen kannst.
Das Bewerbungsgespräch
Meine eigene Bewerbungsphase war bereits nach zwei Gesprächen vorbei, denn nach dem zweiten erhielt ich die Zusage meines absoluten Favoriten. Beide Bewerbungsgespräche liefen jedoch sehr unterschiedlich ab und auch zwei meiner Freunde, die sich in der Schweiz beworben haben, machten jeweils andere Erfahrungen.
Mein erstes Gespräch verlief über Zoom und ich sprach mit dem Chefarzt der Abteilung. Er fragte mich insbesondere zu meinen Zielen, die ich im Schreiben bereits angeschnitten hatte und bemerkte, dass ich mit dem Ziel, mich zu habilitieren, in einem Kantonsspital wohl etwas schlechtere Chancen als in einem Universitätsspital hätte. Auch auf solcherlei Rückfragen sollte man sich vorbereiten, damit man eine gute Antwort parat hält.
Bei meinem zweiten Gespräch, dieses Mal an einem Universitätsspital wurde ich persönlich eingeladen. Insgesamt verbrachte ich vier Stunden in der Abteilung und sprach zunächst mit dem Chef und seinem Stellvertreter, aber auch mit vier der insgesamt acht Bereichsleiter, beispielsweise Neuroradiologie, Kardiovaskuläre Bildgebung etc., und einem Assistenzarzt, der mich am Ende auch durch die Abteilung führte. Allen konnte ich Fragen stellen, jedoch mussten am Ende auch alle Gesprächspartner ihre Zustimmung zu meiner Einstellung geben. Insgesamt habe ich die Stimmung aber als äußerst angenehm wahrgenommen und man hat als Bewerber auch die Chance, die Abteilung bei einem solchen Treffen kennenzulernen und abzuhorchen.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich während dieser Bewerbungsphase auch persönlich gewachsen bin.
Die Schweiz ist als Einwanderungsland unter Ärztinnen und Ärzten sehr beliebt
Ein Freund, der sich in einem Spital in St. Gallen in der Anästhesie bewarb, wurde ähnlich freundlich dort empfangen. In seinem Gespräch wurden ihm auch Fragen gestellt, welche sich eher mit der ethischen Einstellung beschäftigten, wie zum Beispiel dem Thema Sterbehilfe.
Mein Fazit
Die Vorbereitung auf Fragen, die auch die eigenen Einstellungen, den bisherigen und vor allem auch den zukünftigen Lebensweg wirklich erforschen wollen, halfen mir dabei, dies für mich stichhaltig zu definieren. Insofern denke ich, dass der Bewerbungsprozess auch ein Prozess des persönlichen Wachstums ist.
Entspannend – ein Spaziergang durch die pittoreske Innenstadt von Thun in der Schweiz
Ich persönlich werde zum Jahresende meine Stelle als Assistenzarzt an einem Universitätsspital in der Schweiz beginnen und freue mich sehr auf diesen neuen Lebensabschnitt. Die Erfahrungen und Einschätzungen, die ich hier teile, sind unter dem Aspekt zu lesen, dass ich mich ausschließlich bei Universitäts- oder Kantonsspitälern beworben habe.
Ich hatte auch eine Stelle in einem kleinen „C-Spital“ angeboten bekommen, dies geschah aber eher im Rahmen meines damaligen Einsatzes als Unterassistent bzw. PJ-Student.
Wandern im Berner Oberland – das Land bietet den richtigen Ausgleich zur Arbeit.
Ich hoffe also, dass Du mit diesem Artikel konkrete Hilfestellung für Deine persönliche Situation ziehen kannst und er Dir dabei hilft, Deine Ziele zu erreichen. Die Schweiz ist ein großartiges Land, in welchem man gute Bedingungen zum Leben und Arbeiten findet.
W. K.,
Münster 21.02.2023
Quellen des Artikels: